Für viele Eltern ist es ein vertrauter Anblick, wenn die Kinder tief gebeugt vor ihren Hausaufgaben hängen oder mit dem schweren Rucksack auf dem Rücken die Schultern hängen lassen. Doch nicht jeder krumme Rücken ist auf eine schlechte Haltung zurückzuführen. Ganz im Gegenteil: Im Wachstum kann es zu einer anormalen Veränderung der Wirbelsäule kommen.
Ist die Wirbelsäule seitlich gekrümmt und in sich verdreht, wird von Skoliose gesprochen – einer Erkrankung, die bei schweren Verläufen gar mehrfache Operationen bedingen kann. Doch gilt: Je eher die Deformation erkannt wird, desto besser gelingt eine Behandlung.
So äußert sich die Skoliose bei Kindern
Meist entsteht die Wirbelsäulenverkrümmung während des Wachstums. Das heißt, bei Mädchen meist ab dem 10. und bei Jungen ab dem 12. Lebensjahr, wobei Mädchen bis zu fünfmal häufiger betroffen sind.
Eine einfache Verkrümmung ruft meist keine Schmerzen hervor. Daher bleibt sie von Kindern meist unbemerkt. Woran können Eltern aber erkennen, ob ihr Kind möglicherweise an Skoliose erkrankt ist? „Skoliose kommt familiengehäuft vor, das heißt, wenn in der Familie schon eine Skoliose oder Kyphose besteht, sollte man bei Kindern genauer darauf schauen“, so Annette Koch, Krankengymnastin/Physiotherapeutin aus Bochum.
Vor allem, wenn sich das Kind nach vorne beugt, sind mögliche Verdrehungen der Wirbel zu erkennen. Häufig beobachte man gemäß Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V. einen ungleichen Schulter- oder Beckenstand. In einigen Fällen werde der Kopf zudem schräg gehalten oder die Rippen stünden unterschiedlich weit hervor.
So erfolgt die Diagnose
Haben Eltern einen Verdacht, sollten Sie umgehend den Kinderarzt aufsuchen. In den meisten Fällen wird die Skoliose ohnehin von diesem als Zufallsfund entdeckt. Die Untersuchung der Wirbelsäule gehört nämlich sowohl obligatorisch zur Jugendgesundheitsuntersuchung (J1) zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr, als auch zu den Vorsorgeuntersuchungen während des 4. und 5. Lebensjahres.
„Bei Verdacht schicken die Kinderärzte weiter zum Orthopäden und die wiederum zu Skoliosezentren. Auch Physiotherapeuten mit der Zusatzausbildung für Skoliose können natürlich Skoliose erkennen und zu den entsprechenden Experten empfehlen“, erklärt Annette Koch. Weiterführend erfolgen dann meist Röntgenaufnahmen des kindlichen Rückens, um das genaue Ausmaß der Verkrümmung zu bestimmen und „die Diagnose abzusichern und auch, um andere Fehlbildungen auszuschließen.“
Deshalb sollten Eltern einem Verdacht nachgehen
Annette Koch erklärt: Bleibt die Skoliose bei Kindern unbehandelt, kann sich die Fehlhaltung der Wirbelsäule verstärken „und im Erwachsenenalter zu Schmerzen führen. Folgen kann man auch an anderen Gelenken sehen: Becken- und Hüftfehlstellungen, asymmetrische Belastungen der Kniee und Füße sind möglich.“
Verschiedene Schweregrade der Skoliose
Je nach Neigungswinkel wird die Skoliose in vier Grade unterteilt.
- Leichte Skoliose: bis zu 40 Grad
- Mittelschwere Skoliose: zwischen 40 und 60 Grad
- Schwere Skoliose: zwischen 60 und 80 Grad
- Sehr schwere Skoliose: über 80 Grad
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Eine weitere Unterteilung findet gemäß des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts sowie der Form statt. Demnach kann die Krümmung entweder die kindliche Brustwirbelsäule (thorakal), die Lendenwirbelsäule (lumbal) oder den Übergang beider Regionen betreffen (thorakolumbal) und c-förmig, s-förmig oder doppel-s-förmig auftreten.
Die Ursachen sind meist nicht bekannt
Ihr Kind hat Skoliose? Das ist kein Grund, die Schuld bei sich zu suchen. In rund 90 Prozent der Fälle ist die Ursache für die Verkrümmung nämlich nicht bekannt. Das bedeutet, die Entstehung lässt sich nicht beeinflussen und hängt auch nicht mit einer schlechten Haltung zusammen.
Eher, so der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V., vermute man einen Zusammenhang zum ungleichmäßigen Wachstum der Rückenmuskulatur und der Wirbelkörper. In diesen Fällen, einer so genannten strukturellen oder idiopathischen Skoliose, wächst die eine Seite der anderen also sprichwörtlich davon.
Von Physiotherapie bis OP
Früh erkannt, lässt sich die Skoliose gut mit einem Korsett, mit der (Schroth-)Therapie und Sport verbessern. Krankengymnastische Übungen stellen meist den Beginn der Therapie dar. „Es wird versucht, überdehnte Muskeln zu kräftigen. So können sie der Verdrehung der Wirbel mehr Zug entgegensetzen“, informiert der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V. Auch Annette Koch ergänzt: „Bei leichteren Skoliosen bis ca. 20 Grad nach Cobb hilft Physiotherapie.
Bei mittleren Skoliosen ab ca. 20 Grad unterstützt ein Korsett bis zum Ende des Wachstums.“ Dieses Chêneau-Korsett wird vom Orthopädietechniker individuell auf das Kind angepasst. Doch wie funktioniert ein solches Korsett? Die Korrektur erfolgt bei jedem Atemzug und jeder Bewegung, indem Druck auf die Krümmung ausgeübt wird. Dadurch wird der Körper aufgerichtet. Für einen therapeutischen Erfolg muss das Korsett mindestens 18 Stunden am Tag bzw. auch in der Nacht von den Kindern getragen werden.
Eine Operation werde erst bei kosmetischen Problemen oder einer sehr ausgeprägten Skoliose sinnvoll. Während der auch als Wirbelkörperversteifung bezeichneten Maßnahme werden Wirbel im Bereich der Krümmung begradigt und miteinander verbunden. Unter anderem von der Anzahl der verbundenen Wirbelkörper hängt die Dauer der anschließenden Genesung ab.
„Es gibt intensive Kur- und Rehamaßnahmen die die konservative Therapie unterstützen – außerdem lernen die Kinder und Jugendliche dort andere Betroffene kennen“, so die Physiotherapeutin. „Begleitet werden die Jugendlichen bis zum Abschluss des Wachstums, empfohlen wird eine engmaschige Kontrolle, ungefähr alle 3-6 Monate.“
Was Eltern tun können
Häufig kommt es vor allem beim Thema des Korsetts zu vielen Diskussionen zwischen Elternteil und kleinem Patienten. Wenn sich Eltern hilflos fühlen und nicht wissen, wie sie auf die Sorgen ihrer Schützlinge reagieren sollen, hilft es, den Kontakt zu anderen betroffenen Kindern oder Jugendlichen herzustellen. Diese verstehen die Probleme oft besser und können sich somit gegenseitig darin bestärken, durchzuhalten.
Außerdem kann es motivierend sein, so das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), mit kleinen Belohnungen zu arbeiten und den Fortschritt des Tragens schriftlich zu dokumentieren. Vor allem aber sollten Eltern die selbstbewusste, positive Ausstrahlung des Kindes fördern. So wird das Leben mit Skoliose von Anfang an ganz normal.
Quellen: AOK; Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte e. V.; Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)
Extratipp: Wie erkläre ich meinem Kind die Skoliose?
Skoliose ist keine seltene Krankheit. Dennoch kann die Diagnose für Eltern wie für Kinder ein Schock sein. Wie erklären Eltern oder Verwandte dem Kind, was der Doktor meint, wenn er von einem „krummen Rücken“ spricht? Der Bundesverband der Skoliose-Selbsthilfe e. V. bietet auf seiner Webseite explizit für Kinder und Jugendliche verfasste Informationsbroschüren zum kostenlosen Download an.
Im kindgerechten Buch „Skoli… – was?“ erklärt Hummelkind Kira kleinen Patienten ihr Krankheitsbild und bereitet Kinder sowohl auf die Untersuchung als auch Behandlungen gleichermaßen vor. Wie sollte ich mich bei Skoliose verhalten? Was darf ich machen und was könnte mir schaden? Auf diese Fragen gibt das Hummelkind in Zusammenarbeit mit Kinderpsychologen und Wirbelsäulenspezialisten Prof. Dr. Jürgen Harms kindgerechte Antworten.
Caroline Körner & Kathrin Schmidt | ab 6 Jahren | ISBN: 978-3-86541-885-2 | Preis 12,95 €
Author: Vanessa Wobb
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