Prokrastination – Was du heute kannst besorgen, das verschiebe (nicht) auf morgen
Wer kennt es nicht: Die Klausurenphase steht an, und plötzlich scheint alles besser zu sein als zu lernen. Selbst das Zimmer aufzuräumen oder den Kleiderschrank auszumisten klingt auf einmal nach einer angenehmeren Beschäftigung. Also wird das Lernen auf morgen verschoben. Passiert es häufiger, dass unangenehme Tätigkeiten bis zum letzten Moment aufgeschoben werden, spricht man von Prokrastination.
Was ist Prokrastination?
Prokrastination, auch bekannt als „Aufschieberitis“, stammt vom lateinischen Wort procrastinare, was so viel bedeutet wie aufschieben oder herauszögern. Sie beschreibt das pathologische Aufschiebeverhalten, eine eigentliche wichtige Tätigkeit regelmäßig durch andere unwichtigere Ersatztätigkeiten bis ins Extrem hinauszuzögern. Das Problem: Die eigentliche Tätigkeit, wie Lernen oder Hausaufgaben, werden erst sehr spät oder sogar gar nicht erledigt. Fast alle Menschen sind von Prokrastination betroffen. Laut einer Umfrage der Universität Münster gaben nur zwei Prozent der teilgenommenen Studierenden an, niemals Dinge aufzuschieben. Eine Studie der Universität Mainz ergab, dass junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren eher zum Prokrastinieren neigen. Männer sind in dieser Altersgruppe häufiger betroffen als Frauen. Anzumerken ist, dass Prokrastination nichts mit Faulheit zu tun hat. Im schlimmsten Falle kann es zu psychischen aber auch physischen Beschwerden kommen.
Welche Prokrastinationsarten gibt es?
Prokrastination ist nicht gleich Prokrastination. Häufig ausgesprochene Sätze wie „Ich brauche diesen Stress, um abzuliefern“ oder „Ich funktioniere nur unter Druck“ fallen unter die aktive Prokrastination. Für aktiv prokrastinierende Menschen liegt der Reiz im steigenden Zeitdruck, den sie aktiv provozieren. Sie verlassen sich selbstbewusst auf ihre Fähigkeiten, rechtzeitig und erfolgreich abzuliefern, wodurch zusätzlich noch ein heldenhaftes Gefühl provoziert wird. Dagegen ist Stress und Druck genau das Gegenteil von dem, was Menschen, die von der passiven Prokrastination betroffen sind, in dieser Situation helfen kann. Passiv Prokrastinierende handeln geleitet von Selbstzweifeln und von der Angst vor dem Scheitern. Durch den steigenden Zeitdruck bedingt durch das Aufschieben wird die Angst verstärkt, was zum weiteren Aufschieben führt. Daneben gibt es noch weitere Arten der Prokrastination. Die eben beschriebene Aufgabenprokrastination ist die am häufigsten auftretende. Manchen Menschen fällt es schwer, Entscheidungen zu treffen, und sie neigen bei der Entscheidungsprokrastination dazu, aus Angst vor Konsequenzen die Entscheidungsfindung aufzuschieben. Bei der Verhaltensprokrastination schieben Menschen beispielsweise Arztbesuche auf, aus Angst vor dem Ergebnis. Das Aufschieben von unangenehmen Telefonaten, der Beantwortung von Nachrichten oder sozialen Pflichten geht bei der sozialen Prokrastination ebenfalls mit Ängsten und Schuldgefühlen einher.
Wieso neigen wir zum Prokrastinieren?
Meistens sind genau die wichtigen Tätigkeiten besonders unangenehm. Aufgrund ihrer Wichtigkeit entstehen Versagensängste oder zu hoch angesetzte Ansprüche an sich und seine Ziele. Weitere Gründe können neben Angst und Perfektionismus auch Unklarheit, Langeweile oder Überforderung sein. Prokrastination ist demnach im Rahmen psychischer Diagnosen keine Krankheit, jedoch ein ernsthaftes pathologisches Problem der Selbststeuerung und Arbeitsstörung. Dies bedeutet nicht, dass Prokrastination nicht heilbar ist. Im Gegenteil: Durch Training und die Aneignung neuer Verhaltensweisen, die im Folgenden beleuchtet werden, kann an der Prokrastination gearbeitet werden.
Wie kann Prokrastination im Alltag verhindert werden?
Damit erst keine Überforderung entsteht, hilft es, wenn die Tätigkeit vorstrukturiert wird. Das bedeutet, anfangs festzulegen, was die Ziele sind und wo gegebenenfalls Hilfe benötigt wird. Dabei kann es nützlich sein, die Aufgabe realistisch zeitlich zu strukturieren und sich innerlich und äußerlich darauf einzustellen. Dazu kann die tägliche Arbeitszeit begrenzt werden und diese in feste Kurzeinheiten unterteilt werden. Auch im Vorhinein individuell herauszufinden, welche Ablenkungen einen besonderen Einfluss darstellen, und diese dann systematisch einzugrenzen, unterstützt bei der Ausführung der Aufgaben. Ein großer Störfaktor der Konzentration sind Soziale Medien. Da kann es helfen, das Handy in den „Nicht stören“-Modus zu setzen und den medialen Einfluss zu reduzieren. Focus-Apps können für einen ausgewählten Zeitraum das Handy in einen Modus setzen, in dem Mitteilungen und Störungen blockiert werden. Klänge wie White Noise und Alphawellen können dazu beitragen, dass sich der Herzschlag verlangsamt und der Blutdruck sinkt. Der Körper kann sich entspannen, während sich die Gehirnaktivität und dadurch die Konzentration und Aufmerksamkeit erhöhen. Generell ist es eine Frage des Trainings, denn je öfter es gelingt, desto länger kann beim nächsten Mal durchgehalten werden.
Ist Prokrastination im Gehirn nachweisbar?
Prokrastination ist im Gehirn in zwei Hirnregionen mittels Kernspintomografie nachweisbar. Entscheidend dabei ist die Größe des Gefühlszentrums und die Qualität der Verknüpfung zu der Region, die die Handlungen steuert. Das Gefühlszentrum beurteilt eine Situation und die möglichen negativen Konsequenzen einer Handlung. Die Region, die die Handlungen steuert, nutzt die Informationen des Gefühlszentrums und wählt eine passende Handlung aus, um die Handlung auszuführen. Bei Menschen mit einem vergrößerten Gefühlszentrum kann die Handlungskontrolle gestört sein. Sie können dazu neigen, eine größere Furcht vor den negativen Konsequenzen einer Handlung haben, und sie aus diesem Grund nicht ausführen zu wollen. Sie prokrastinieren.
Weitere Infos:
ruhr-uni-bochum.de
naturhaus.com
studysmarter.de
apotheken-umschau.de
uni-muenster.de
Von Jana Thomes
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