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Ein Überlebens-ABC für Eltern

Bildnachweis: ©drubig-photo - Fotolia.com

Liebe Eltern, nicht nur die I-Dötzchen begeben sich auf neues Terrain mit dem Eintritt in die Schule, auch Sie müssen zum Schulstart viel lernen und vor allem einige sprachliche Hürden überwinden. Einen kleinen, lustigen Einblick bekommen Sie auf diesen Seiten.


A
rgumente

Spielen in Grundschule keine große Rolle. Wer lauter schreit, hat recht, basta. Interessanterweise geht dieses Verhaltensmuster nach fünfzehn bis zwanzig Jahren auch auf die Lehrkräfte über. Vor allem im Lehrer-Eltern-Gespräch gilt die Regel: Aussagen, die, unabhängig von ihrem Gehalt, dreimal wiederholt werden, sind automatisch richtig und unumstößlich.

Bestimmung des Nachbarzehners

Keine Angst, hier gehen sich die Kinder nicht an die Wäsche, sondern … rechnen. Wenn der Schüler weiß, dass nach der 20 die 30 steht und vorher die 10 kommt, dann war die Bestimmung des Nachbarzehners erfolgreich. Als Steigerung dessen lassen sich auch Nachbarhunderter bestimmen – ein Begriff, der später im Altersheim ebenfalls Verwendung findet.

Classroom Management

Vom Umgang mit Störern, der Abwehr körperlicher Angriffe bis zur aktiven Umsetzung des neuen Inklusionstrends – der Begriff umfasst also kurzum so ziemlich alles, was irgendwie mit Überleben zu tun hat. Der Lehrer natürlich. Die Instrumente des Classroom Managements fußen auf der hin und wieder durchaus berechtigten Angst der Lehrer vor ihrer Klasse. „Angst“ klingt allerdings längst nicht so gut wie Classroom Management, was wiederum ziemlich nach „im Griff haben“ schmeckt.

Dialogischer Lernaustausch der Kinder

Wenn sich die Kinder untereinander was beibringen, ohne dass der Lehrer viel dabei machen muss.

Elternstammtisch

Regelmäßiges Treffen verunsicherter Eltern, die gerne die Probleme anderer hören möchten, ohne die eigenen preiszugeben. Da dies nur schwerlich für alle möglich ist, schlafen Elternstammtische nach wenigen wieder ein. Ihrem ursprünglichen Zweck werden sie also nicht gerecht. Geht es jedoch darum, Informationen möglichst effizient zu streuen, ist der Elternstammtisch eine verlässliche Methode, vor allem, wenn es sich um ursprünglich vertrauliche Fragen handelt, die unter dem Gebot der Verschwiegenheit weitergegeben wurden.

Feinmotorische Störung

Pädagogendeutsch für „Sauklaue“

Geräuschpegel

Genaue statistische Angaben gibt es nicht, sicher ist aber: Ein Großteil älterer Lehrerinnen leidet unter erheblichen Hörschäden, die auf die akustischen Dauerbelastungen am Arbeitsplatz zurückzuführen sind. Grundschulkinder scheinen unfähig, längere Passagen der Stille zu ertragen. Der tolerierte Bereich liegt bei ein bis zwei Sekunden. Eine ruhige Klasse liegt meist bei rund 50 bis 55 Dezibel, in normalen Unterrichtssituationen, zum Beispiel bei der Gruppenarbeit, sind 75 bis 80 Dezibel durchaus gängig – akustisch stehen Lehrer daher fast den ganzen Tag an einer Hauptverkehrsstraße. Bei Regenpausen im Schulgebäude oder im Speisesaal werden problemlos 120 Dezibel erreicht – was ungefähr so laut ist wie ein Rockkonzert, aber längst nicht so gute Laune macht. (…)

Hausaufgaben

Hobbys werden im Allgemeinen völlig überbewertet. Mütter haben stattdessen Hausaufgaben. Und das ist gut so, denn nur durch rechtzeitige Übung kann man sie an die sorgfältige und ausdauernde Arbeitsweise heranführen, die später am Gymnasium gefragt ist.

Integration von Kopf und Hand

Ganz ehrlich: Keine Ahnung, was das bedeutet. Der Satz stammt aus dem Programm einer Gelsenkirchener Grundschule. Sinnvoll erscheint es aber allemal – oder haben Sie schon mal versucht, ohne Hände und ohne Kopf zu schreiben oder zu rechnen?

Jedermannbefähigung

Falls Sie dieses Wort nicht kennen: Nein, es ist kein Fachausdruck, sondern eine Tatsache. Lehrer sind teuer, sogar die günstigen Grundschullehrer, und so gibt es allerhand interessante Ansätze, wie man den permanenten Lehrermangel beheben könnte, ohne sich eine Schippe teurer Fachkräfte aufzuhalsen. Pensionierte Lehrer zum Beispiel, die langweilen sich doch sowieso im Vorruhestand. Überhaupt sind Rentner eine dankbare Gruppe, denn ihre Erfahrung mit den Enkelkindern kommt ihnen auch im Unterricht zugute. (…) Es ist ja so: Unterrichten kann im Grunde jeder. Zudem sind Grundschulkinder, Gott sei Dank, noch so klein, dass man körperliche Auseinandersetzungen problemlos gewinnt.

Klassenzimmer

gibt es nicht mehr. Heute verfügt eine ordentliche Grundschule über „Biotope für soziales und individuelles Lernen“. Ziemlich oft sieht es auch genau so aus, als könnten dort viele Lebensformen ein Zuhause finden.

Laufdiktat

Kinder, die mit hochrotem Kopf von einer Ecke des Klassenzimmers in die andere rennen und dabei Wörter murmeln: Nein, das ist kein Pädagogen- Albtraum, sondern ein geplantes Laufdiktat. Durch die Kombination von körperlicher Bewegung und geistiger Leistung soll das Gelernte besonders gut verankert werden. (…)

Männer

Im Grundschulumfeld nahezu unbekannt. Seltene Sichtungen von Männern werden mit großer Freude aufgenommen. Männer, die sich auf Elternabenden bewegen oder sich sogar in AGs betätigen, haben daher Narrenfreiheit und werden auch nicht mit Fronarbeiten belästigt, um sie nicht zu verschrecken. Dies gilt auch für die Lehrerschaft. (…)

Nutellabrot

gehört wie die Milchschnitte zum Teufelswerk, das keinesfalls die Schulschwelle überschreiten darf. Und das, obwohl immer glückliche Kinder auf der Packung abgebildet sind!

Offene Angebote

Die Kinder gehen hin. Oder auch nicht, es ist nämlich egal, ob sie hingehen.

Petzen

Des Grundschülers liebstes Hobby: Dabei geht es natürlich kein bisschen um die Liebe zur Wahrheit. Schon mit sechs Jahren wissen die kleinen Blockwarte in spe, dass man sich selbst besonders leicht erhöht, indem man andere vom Podest schubst. Interessanterweise empfinden viele Lehrerinnen dies als gar nicht so schlimm. Immerhin bleibt man damit immer auf dem aktuellen Stand des Geschehens.

Querulanten

Besonders unangenehme Eltern-Spezies, die jeden noch so engagierten Lehrer in den Wahnsinn treibt. Sie sind grundsätzlich gegen alles und jeden. Schlimmer noch, sie lassen keinen Elternabend oder Schulsprechtag aus, genau diese Haltung kundzutun. (…)

Rechenvorteile

Treuepunkte in der Schulkantine? Kundenbindungsprogramme in der Grundschulpädagogik? Leider nein. Rechenvorteile ergeben sich aus geschickten Rechenwegen, die man sich als Eltern am besten von den Kindern erklären lässt.

Schreibschrift

Eine ganz wichtige Diskussion in der Grundschule lautet: Darf man absetzen oder nicht? Dabei geht es nicht um die Antibabypille, sondern um – den Stift. Bei der Schreibschrift darf man nämlich nicht – bei der unverbundenen, serifenlosen Vereinfachten Ausgangsschrift schon. Doch welche ist die beste? Die Gräben zwischen den verschiedenen Lagern sind tief und die Materie todernst! Immerhin gibt es an einigen Universitäten das Fach „Handschrifterwerb und -didaktik“! (…)

Taschengeld

Die Grundregel lautet: ALLE anderen kriegen VIEL mehr. Erst auf dem zweiten Elterntreff stellt man dann ernüchtert fest, dass das eigene Kind nun das Doppelte des ortsüblichen Tarifs einstreicht und alle anderen Kindern der Klasse nun als Argument dient: „Der Marius kriegt nämlich viel mehr!“

Übertrittsempfehlung

Wohin nach der Grundschule? Zum Halbjahreszeugnis der vierten Klasse geben die Grundschullehrer eine Empfehlung ab, welche Schulart für das Kind besonders gut geeignet sei. Dass sich die Eltern natürlich nicht daran halten, ist Ehrensache. In Bayern, Bremen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist die Empfehlung allerdings verpflichtend. Interessanterweise erfolgt die Gymnasialempfehlung bundesweit sowieso nicht nach einheitlichen Kriterien. (…) Um die Anforderungen ihrer Bundesländer zu umgehen haben Eltern natürlich allerhand Methoden entwickelt. Neben heulen, zwanzig Mal beim verantwortlichen Grundschullehrer vorsprechen (alterniv tut es natürlich auch die Direktion der Schule, das Schulamt oder wer einem sonst noch so auf dem Gang der Schule begegnet) oder den Schulleiter des gewünschten Gymnasiums zu beknien sind Eltern hier und da auch nicht abgeneigt, ihren Wunsch per Anwalt überzeugend darlegen zu lassen. Wenn alle Stricke reißen, hilft nur noch ein Umzug ins passende Bundesland, wobei sich meist eine generelle Richtung von Süd nach Nord ergibt.

VERA

Nein, es handelt sich nicht um die nette Aushilfe in der Schulkantine, sondern um einen Test, an denen seit 2008 die Schülerinnen und Schüler aller 3. Klassen teilnehmen. Die offizielle Begründung lautet so: „Die Durchführung landesweiter Vergleichsarbeiten (bzw. Kompetenztests oder Lernstandserhebungen) in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland ist Teil der 2006 verabschiedeten Gesamtstrategie der Kultusministerkonferenz (KMK) zum Bildungmonitoring. (…)“

Witze

Es ist völlig normal, das Erwachsene Grundschulwitze weder verstehen noch lustig finden: „Hau mich und Pflau mich sitzen auf dem Baum. Pflau mich fällt runter, wer bleibt noch auf dem Baum?“ – Die Antwort lautet natürlich „Hau mich“, und dann gibt’s was auf die Nase, während sich alle umstehenden Grundschüler kaputtlachen. Diese Phase geht nach vier Jahren mit dem Eintritt in die weiterführende Schule von selbst vorbei und wird durch moderat witzige schlüpfrige Witze abgelöst.

Xylophon

Beliebtes Instrument der Grundschulmusik-AG. Das Xylophon (oft auch nicht ganz korrekt als Glockenspiel bekannt) besitzt den eindeutigen Vorteil, dass ihm, egal wie man draufhaut, zumindest ein gerader Ton zu entlocken ist. Erfahrungen in Weihnachtsschulgottesdiensten haben jedoch gezeigt, dass man unter Voraussetzung eines gewissen Schwungs auch mit diesem Instrument den Putz von der Decke hauen kann. Es empfiehlt sich daher, eher schwächliche Kinder mit dem Xylophon zu betrauen und die Rabauken mit einer Triangel abzuspeisen.

YouTube

„Ich stell das auf YouTube“ ist eine beliebte Drohung, die sogar schon bei Grundschulkindern richtig gut zieht. Logischerweise ist es verboten, private Filme einfach so in der Welt zu verbreiten. Überraschend ist allerdings: Es gibt sie wirklich, die Eltern, die den letzten Kindergeburtstag auf YouTube stellen. Ohne zu fragen.

Zickenkrieg

Jungs kloppen sich auf dem Schulhof oder schleudern sich den vollgepackten Ranzen gegenseitig in die Zähne, Mädchen haben dafür den Zickenkrieg. Ob dieses Verhalten angeboren oder anerzogen ist, darüber streiten sich die Geister. Sicher ist: Egal, wo es herstammt, spätestens ab der dritten Klasse ist es so weit. (…)

Françoise Hauser

Das hier abgedruckte nicht ganz ernst zu nehmende ABC ist entnommen aus dem Buch:
„Hilfe, ich hab Grundschule!“ – Das Überlebens- ABC für Eltern

 

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