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„Mir ist ja soooo langweilig!“

Keine Schule, kein Sportverein, keine Freunde, die man besuchen kann, keine geöffneten Spielplätze und auch viele andere Freizeitaktivitäten, die aktuell nicht stattfinden können . Was nun?  Nachdem die ersten Wochen der Einschränkungen durch das Corona-Virus vorüber sind, macht sich bei vielen Kindern Langeweile breit. Aber was macht Langeweile eigentlich mit uns? Und haben wir in Zeiten von Smartphone, Streaming und Co. überhaupt noch Zeit dazu, uns mal so richtig gepflegt zu langweilen?

Wenn die Zeit einfach nicht vergehen will

Viele Menschen verbinden Langeweile mit Warten z. B. auf den Bus oder den Besuch von Oma. Oftmals langweilen wir uns auch, wenn wir nichts zu tun haben. Und wir langweilen uns, wenn wir etwas eintöniges machen oder wir zum Beispiel bei etwas zuhören müssen, dass uns nicht interessiert. Aber manchmal finden wir genau so etwas auch richtig schön. Etwa, wenn wir im Sommer in der Hängematte einfach mal die Seele baumeln lassen, wir beim Warten auf den Bus froh sind, kurz durchatmen und die Gedanken sortieren zu können oder wir uns bei eintönigen Tätigkeiten wie Unkrautzupfen plötzlich total erfüllt fühlen. Und jeder Mensch findet unterschiedliche Dinge oder Tätigkeiten langweilig. Die einen finden Fußballspiele im Fernsehen zum Gähnen, andere fiebern vor Spannung mit. Aber woher kommt das Gefühl von Langeweile dann?

Psychologen meinen, dass wir vor allem dann Langeweile verspüren, wenn wir das Falsche tun. Wenn wir also das Gefühl haben, dass wir unsere Energie und Aufmerksamkeit gerade viel lieber auf etwas anderes verwenden würden, als auf das, was wir gerade tun. Dabei wissen wir meistens gar nicht, was wir lieber tun würden. Wir wissen nur, dass das, was wir gerade tun oder auch nicht tun, uns nicht erfüllt. Und das macht uns unzufrieden und wir fühlen uns innerlich unruhig und angespannt. So paradox es sich anhört: Langeweile bedeutet für den Körper tatsächlich Stress. Unser Kopf gibt uns damit das Signal, dass er mit der aktuellen Situation nicht zufrieden ist.

Dann mach doch was anderes

Die Lösung des Dilemmas scheint auf der Hand zu liegen. Wenn uns die momentane Tätigkeit langweilt, dann sollten wir vielleicht einfach etwas anderes tun. Aber das tückische an der Langeweile: sie macht uns unempfänglicher für äußerliche Reize. Plötzlich erscheint uns alles uninteressant und wir haben keine Lust auf irgendwas. Dann kann es helfen, die Langeweile einfach zuzulassen und die Gedanken wandern zu lassen. Wem es hilft, der malt nebenbei Kringel auf Papier oder fährt mit dem Finger die Streifen auf der Tapete entlang. Das kann unserem Gehirn helfen, wortwörtlich auf andere Gedanken zu kommen. Vielleicht fällt uns sogar etwas ein, das wir schon ewig erledigen wollten, wovor wir uns aber immer gedrückt haben. Und weil Menschen dazu neigen, alles lieber zu tun, als sich zu langweilen, erscheinen uns Dinge, die wir lange vor uns hergeschoben haben, plötzlich wie eine willkommene Alternative. Außerdem schneiden Menschen nachweislich besser bei kreativen Aufgaben ab, wenn sie sich vorher gelangweilt haben. Auch wer häufig tagträumt, scheint kreativer zu sein. Amerikanische Psychologen zeigten darüber hinaus, dass Menschen mehr Mitgefühl zeigten, wenn sie nach dem Betrachten eines emotionalen Films Zeit hatten, in Gedanken zu versinken.

Kinder und Langeweile

Kinder haben meist einen unbändigen Entdeckerdrang. Sie fragen uns Löcher in den Bauch, wollen alles erkunden und kennenlernen und können sich stundenlang mit einem Stöckchen und einem Stein beschäftigen und im Spiel damit ganze Welten entstehen lassen. Gleichzeitig können sie sich auch ganz schrecklich langweilen. Das wird dann auch lautstark alle paar Minuten kundgetan: „Mama! Papa! Mir ist soo langweilig. Ich weiß nicht was ich machen soll… Mama! Mir ist immer noch langweilig…“. Da liegt natürlich der Gedanke nahe, das Kind schnellstmöglich zu beschäftigen. Pädagogen sind inzwischen aber davon überzeugt, dass Kinder lernen müssen, Langeweile auszuhalten. Nur so würden sie lernen, sich selbst zu beschäftigen und eigene Interessen zu entwickeln und eigene Ideen zu verfolgen. Das treibt die kindliche Entwicklung voran und hilft dem Kind dabei, ein Bewusstsein für sich und die eigenen Stärken und Interessen zu entwickeln. Man muss jedoch bedenken, dann Kinder ein anderes Zeitgefühl haben, als Erwachsene. Und auch bei Kindern gibt es natürlich individuelle Unterschiede. Die einen sind mit wenig Input völlig zufrieden, während die anderen rund um die Uhr Action brauchen. Wichtig sind aber kleine Atempausen, in denen Kinder lernen, dass es auch mal nichts zu tun gibt und ihnen nicht immer vorgeschlagen wird, was sie tun sollen, sondern sie stattdessen die Freiheit haben, auch mal selbst zu entscheiden, was sie tun möchten.

Verlernen wir, uns zu langweilen?

In Zeiten von ständig verfügbarer Ablenkung durch Internet, Social Media und Streaming mahnen einige Experten an, dass wir verlernen, uns zu langweilen. Ob beim Gang auf die Toilette, im Aufzug oder in der Schlange an der Kasse: innerhalb von Sekunden haben wir das Smartphone gezückt. Statt zu warten und nichts zu tun, wischen wir ziellos über unsere Displays. Und weil uns unsere heutige Leistungsgesellschaft und unsere Erziehung suggeriert, dass Nichtstun schlecht wäre, hassen wir es, Zeit ungenutzt verstreichen zu lassen. So stellte der Psychologe Timothy Wilson fest, dass es Studenten schon schwer fällt, 15 Minuten allein in einem leeren Raum zu sitzen. Wir empfinden Langeweile als Versagen – wir hätten ja unendlich viele Möglichkeiten uns zu beschäftigen, wer sich da noch langweilt, hat nur nicht genug nach Beschäftigung gesucht. Das sinnlose Browsen am Handy gibt uns das Gefühl, beschäftigt zu sein – in Wirklichkeit langweilen wir uns nachweislich aber genauso wie vorher, wir merken es nur nicht mehr so stark. Gleichzeitig geben wir unseren Gedanken keinen Raum, sich ziellos zu entfalten. So entgeht uns vielleicht der ein oder andere kreative Einfall.

Dennoch sollte die Forderung nicht sein, dass wir uns mehr langweilen müssen. Vielmehr müssen wir wieder Lernen, das Nichtstun zuzulassen und es als kurzen Moment der Entspannung anzusehen, statt als Belastung. Und vielleicht ist das eine Erfahrung, die wir gerade in Zeiten von Kontaktsperren und Social Distancing wieder erlernen können.

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