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Papas Verein zu Weihnachten

Es sind mit die schwersten Momente im Leben eines Vaters. Vor ein paar Wochen berichtete mir ein Freund mit zittriger Stimme, dass sein Sohn ihn gefragt habe, ob es okay wäre, wenn er sich einen neuen Verein suchen würde. Am Abend zuvor war unser gemeinsamer Lieblingsklub, der VfL Bochum, nach einer schlimmen (Nicht-)Leistung aus dem DFB-Pokal ausgeschieden. Nun sehnte sich die unschuldige kindliche Seele ganz offensichtlich nach ein wenig Frieden. Natürlich antwortete ich dem Kollegen postwendend, dass er seinem Sechsjährigen sagen solle, dass das NICHT okay wäre. Die Liebe zu einem Fußballverein sei schließlich viel tiefer verankert als jedes Eheversprechen – und selbst da heißt es schon: bis dass der Tod euch scheidet!
Unter Fußballfans gibt es ein unausgesprochenes Gesetz: Hast Du jemals Dein Herz an einen Klub verloren, so ist es um Dich geschehen. Ab diesem Augenblick hast Du keine Wahl mehr. Mitgefangen, mitgehangen. In guten wie in schlechten Zeiten. Auf Gedeih und Verderb. Es gibt kein Entrinnen – oder, wie es ein Königsblauer mal so treffend formuliert hat: „Schalke ist wie eine schöne Krankheit. Wenn Du sie einmal hast, wirst Du sie Gott sei Dank nicht mehr los.“ In dieser Aussage steckt so viel tiefere Wahrheit drin, dass man die Sätze ruhig einmal etwas länger auf sich wirken lassen sollte.
Doch wie gelingt es einem Vater, seinen Nachwuchs auf die rechte Bahn zu bringen? Oder anders ausgedrückt: Wie fixt ein Vater seine Kinder an, ausgerechnet ihr Herz an „Natural Born Losers“ wie den VfL Bochum, die Offenbacher Kickers oder den Karlsruher SC zu verlieren? Wenn Du selbst in jungen Jahren nicht zufällig mit einem Gewinner-Verein von Deinem Papa (oder Deiner Mama oder anderen Familienmitgliedern) infiziert worden bist, dann hast Du nun das schwere Los erwischt, das scheinbar Unmögliche wahr werden zu lassen.
Ich hatte schon immer großen Respekt vor dieser Herausforderung, lange bevor ich überhaupt Kinder bekommen habe. Denn ich werde nie die Worte des Vorsitzenden unseres ältesten Fanklubs, der „Bochumer Jungen“, vergessen, der damals im Film „Wer braucht schon ein Sektfrühstück bei Real Madrid?“ stotternd und mit belegter Stimme erklärte: „Ich weiß noch, als mein Junge, der jetzt auch im Fanklub ist und ne Dauerkarte hat, tatsächlich mal eine Zeit lang – allerdings auch bedingt durch seine Fußballmannschaft, wo er gespielt hat – in der großen Ära von Borussia Dortmund – als sie die Champions League gewonnen haben und alles nur noch in schwarz-gelb herumlief – als er da plötzlich auch so, ja, in schwarz-gelb herumgelaufen ist. Da habe ich nur gedacht, ich werde bekloppt – das war ja unglaublich!“
Natürlich gibt es da draußen immer noch Unwissende, die fragen, was denn so schlimm daran wäre, wenn die eigenen Kinder einen anderen Verein mögen würden als man selbst? Das sind in der Regel aber auch Leute, die sich für ihre 0,33 Liter Flasche Bier einen Silikon-Kronkorken kaufen, weil sie das Getränk nicht auf einmal austrinken und es sich anschließend gut verschlossen und „vor Insekten geschützt“ (so die Werbung) in den Kühlschrank stellen. Mit rationalem Fußball-Irrsinn braucht man denen also gar nicht erst kommen.
Kein Vater sollte sich schlecht dabei fühlen, wenn er das eigene Kind sehenden Auges ins vermeintliche Unglück führt, weil er es für einen Klub begeistert, der viel häufiger verliert, als dass er siegt. Oder wie es einmal ein Anhänger so drastisch korrekt sagte: „VfL-Fan zu sein, ist, wie wenn Dich jedes Wochenende Deine Frau verlässt.“
Denn umgekehrt wird auch ein Schuh draus: Aus pädagogischer Sicht kann es durchaus sinnvoll sein, sein Kind nicht einem Gewinner-Verein in den Rachen zu werfen. Das Leben ist schließlich keine Butterfahrt. Die nächste Niederlage wartet zumeist direkt hinter der nächsten Ecke. Wer das früh genug lernt, den schmeißt nichts mehr so leicht aus der Bahn.
Um das hehre Ziel zu erreichen, bedarf es hier und da auch einmal kleiner Beugungen der Realität. Oder sagen wir es anders: Ergebnisse müssen nicht plump anhand von Zahlen erklärt werden. Jamie und Charlie sind beispielsweise in der Vorbereitung beim fantastischen Zwischenstand von 2:0 gegen den BVB ins Bett gegangen. Als sie am nächsten Morgen wissen wollten, wie es ausgegangen ist, erzählte ich ihnen zuerst etwas von niedergeschlagenen und weinenden Dortmunder Spielern. Dann etwas von barmherzigen Bochumern, die keine traurigen Menschen sehen können. Und erst zum Schluss rückte ich mit dem 2:2-Endergebnis raus. Ob sie diese Interpretation der Wahrheit geschluckt haben? Keine Ahnung. Aber einen Versuch war es auf jeden Fall wert!
Also, liebe Väter da draußen, die ihr nicht die Daumen für einen der Big- Player drückt: Lasst euch nicht unterkriegen. Die „Natural Born Loser“- Klubs brauchen uns – und wir sie! Und wenn ihr einmal an euch selbst zweifeln solltet, denkt an die großen Worte des Radiokommentators und VfL-Fans Günther Pohl. Der hat uns allen einmal so wundervoll pointiert ins Stammbuch geschrieben: „Das Besondere ist, einen Verein zu haben, der manchmal gewinnt. Weil man die Erfolge viel intensiver genießt und auskostet, als bei einem Verein, der jede Woche gewinnt. Wenn man 3:0 gegen Dortmund gewinnt, muss man den Abend rausgehen und bis morgens die Nacht durchfeiern, weil man nie weiß, ob es das letzte Mal ist. Auch ’nen Abstieg muss man den Tag feiern, weil an dem Tag ist man ja noch Bundesligist, an dem Tag ist man ja noch dabei gewesen. Man weiß ja auch nicht, ob das noch einmal wieder kommt. Deshalb ist jedes Erfolgserlebnis des VfL ein Grund zum Feiern!“ Und am Schönsten ist es, wenn man an diesen ganz besonderen Tagen seine Liebsten um sich weiß. Ganz genau wie an Weihnachten. Euch allen ein frohes, gesundes und friedliches Fest 2017. Und alles Gute für das neue Jahr. Eure Hämpels!
Ben Redelings

Bildnachweis: Jörn Stollmann

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