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Stets zu ihren Diensten!

Neulich stand ich an der Ampel neben dem Auto des Oberbürgermeisters, schaute zu ihm auf die hinteren Sitzbänke und dachte mit weit geöffnetem Mund: »Geil, genauso müssen sich meine Jungs fühlen!« Vorne sitzt der Chauffeur und hinten die Macht. Nur, dass Mama und Papa kein Geld für ihre Tätigkeit erhalten und hinten die Herren statt in Ruhe zu sitzen, zumeist noch Ansprüche stellen wie: »Alter, wie schlecht ist das denn? Kommt nichts anderes im Radio?«, »Haben wir eigentlich nix zu trinken dabei?« und der allseits beliebte Klassiker »Ich muss aufs Klo. SOFORT!« Die Tage habe ich schon einmal darüber nachgedacht, unser Auto mit einem zackigen Werbespruch zu veredeln – schließlich steht der Hämpelsche Fahrservice in ständiger Rufbereitschaft. Spontan fielen mir Slogans ein wie „Allzeit bereit“, „Ihr Ziel ist unser Ziel“ und „Warum teuer Taxi löhnen, wenn Mami und Papi arbeiten unterhalb von Niedriglöhnen“. Jetzt haben wir uns aber erst einmal einen Aufkleber für die Rückscheibe besorgt. Jedoch nicht so ein »Kevin und Jaqueline an Bord«-Teil. Was soll das auch bedeuten: »An Bord?« Warum soll man nicht sagen, wie es ist? Deshalb haben wir nun hinten auf 50cm Länge mal 30cm Breite die Worte stehen: »Das ist dem Charlie und dem Jamie ihr Auto«. Eine sogenannte Familienkarosse. Eine fahrende Kombination aus Kinderzimmer, Küche und Mülleimer.Mir persönlich hat die schrittweise Enteignung unseres vormals gemeinsamen Autos nicht besonders weh getan. Aber wie viele ehemals stolze Coupé-Besitzer habe ich schon weinend vor ihrem neuen Kombi-Schiff gesehen? Enteiert, um ihr bestes Stück gebracht. Und dann mussten sie auch noch tapfer Sätze sagen wie diese: »Früher habe ich meine Freiheit geliebt. Aber ganz ehrlich: Ich bin ein echtes Familientier geworden. Für meine Süßen würde ich mein letztes Hemd geben!« Uiuiui, da läuten doch instinktiv alle Alarmglocken. Das kann gar nicht gutgehen. Und zumeist kommt es dann auch, wie es kommen muss: In der zwangsläufig folgenden Midlife-Crisis kann der Porsche schließlich nicht eng genug geschnitten sein. Chauffeur-Dienste ausgeschlossen. Dann heißt es unweigerlich wieder: My car ist my castle.Doch bis es soweit ist, fährt der familiäre Fahrservice erst einmal viele Jahre mehrmals täglich Kurz- und Langstreckenziele an. Es beginnt morgens mit Kindergarten und Schule, geht mittags über zu Gitarre, Klavier und Harfe, gleitet in den Nachmittag über mit Besuchen bei Freunden, Schwimmen und Parkour und wird am Abend abgerundet durch Fußball, Hockey und Pfadfinder. Dazwischen werden dem Arzt Besuche abgestattet, neue Schuhe gekauft oder der letzte Fidget-Spinner, der im Umkreis von 500 Kilometern überhaupt noch erhältlich war, kurz vor Flensburg abgeholt. Rein in die Kartoffel, raus aus der Kartoffel. Bis zu zehnmal täglich.Anfangs habe ich einen Kollegen noch belächelt, der in jeder seiner neusten Karren die brandaktuellsten Errungenschaften der modernen Technik verbauen ließ. Mittlerweile bin ich echt ein wenig neidisch auf ihn, denn er hat Recht. Der Kollege war es auch, der sich damals als erster die Massagefunktion bestellt hat, als alle anderen noch von ihrer Sitzheizung schwärmten. Mittlerweile hat er es sich richtig lauschig gemacht in seinem Auto. Wenn im Winter die Nachbarn draußen noch mit dem Eiskratzer die Scheiben freischaufeln, sitzt er bereits gemütlich in seiner vorgeheizten Limousine und genießt einen frisch aufgebrühten Cappuccino. Dazu nimmt er sich gerne aus dem kleinen Kühlschrank im früher als Handschuhfach genutzten Stauraum ein frisches Sandwich und liest auf dem ausklappbaren Flachbildschirm die Zeitung.»Hämpel«, hat der Kollege zu mir gesagt, »sieh die Sache doch mal realistisch. Was damals nen richtig fetter Fernsehsessel vor einer riesigen Leinwand mit nem bärenstarken Beamer war, ist heute der Sitz deines Autos. Da hilft kein Jammern. Es ist, wie es ist. Also mach’ das Beste draus. Guck mich an. Es geht, kann ich dir nur sagen!« Der Junge hat die Welt verstanden. Und ich habe begonnen zu sparen.Aber man soll tatsächlich nicht immer nur das Negative sehen, schließlich bekommt man ja auch so viel zurück. Den Gesprächen der Kleinen hinten auf der Rückbank zu lauschen, insbesondere wenn noch gleichaltrige Freunde mit dabei sind, ist Unterhaltung auf höchstem Niveau. Und vor allem klingt plötzlich das verhasste „Alter!“ in den Lästereien von Achtjährigen über ihre Altersgenossen fast schon wieder putzig. »Alter, hast du gesehen, wie der Mario den Ball geschossen hat?! Wie so nen Besoffenen!« Friseusen-Tratsch in Reinkultur.Und wenn man genau hinhört, stellt man fest, dass man den ganzen Quatsch mit dem „Jugendwort des Jahres“ in die Tonne kloppen kann. Aber das sage ich ja bereits seit Jahren. »Smombie«, »fly sein« oder »I Bims« – nie gehört. Bei uns Hämpels bleibt es wie eh und je bei: „HÄH!?“. Besonders gerne dann von den Kleinen zu hören, wenn der Papa am Wochenende mal seine Ruhe haben will und die alt-bewährte Devise ausgibt: »Heute bleibt die Karre kalt, den Kurzen wohl nur der Fußmarsch bleibt«. Denn eins ist doch klar: Früher war nicht alles besser – aber so ein autofreier Sonntag würde uns allen eigentlich auch heute mal wieder so richtig gut tun! Ben Redelings

Bildnachweis: Jörn Stollmann

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