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The Hämpels: Chill mal, Alter!

Bildnachweis: Jörn Stollmann

Die meiste Zeit des Tages kommen aus den Mündern der kleinen Bastarde ja eher undefinierbare Geräusche, die in der Regel auch noch viel zu laut ausgepegelt sind. Vernünftige Gespräche mit Siebenjährigen sind in der Regel ein Fall fürs Weltkulturerbe. Und fragt man sie beispielsweise einmal danach, wie es denn in der Schule gewesen sei, dann ist ein stakkatoartig hingehauchtes „gut“ schon das höchste der Gefühle. Doch es gibt sie, diese Momente, in denen unsere Kinder uns Sätze für die Ewigkeit schenken. Sternschnuppen aus einem wolkenverhangenen Himmel, die sorgsam konserviert werden müssen – für all die langen Tage, an denen man sich lieber ein „Amigos“-Konzert in Endlosschleife auf die Ohren legen würde, als das Gekreische und Gezeter der Kleinen zu ertragen. Neulich war wieder so ein Sternschnuppen-Moment, und ich bin froh, dass ich in Hörweite war, als es passierte. Wir hatten gerade einige Nachbarskinder im Haus. Keine Ahnung, wie sie hereingekommen waren, denn ich wähnte unsere eigenen beiden Jungs eigentlich irgendwo fern der Heimat bei Freunden. Doch offensichtlich hatte ich unvorsichtigerweise die Balkontür aufgelassen – wie sich später noch herausstellen sollte. Und nun hörte ich, wie Charlie im Bad zu einem Nachbarskind sagte: „Timmy, bitte vorsichtig Pipi machen, Mama hat hier gerade ganz toll geputzt.“ Was für ein Satz!
Als alle wieder draußen waren, bin ich natürlich ins Bad gegangen, um zu gucken, ob Timmy den Anweisungen von Charlie gefolgt war. Und was soll ich sagen? Grandios. Die beiden Klodeckel waren hochgeklappt und rechts und links war nicht ein einziger Spritzer danebengegangen. Ich jubilierte bereits innerlich und malte mir aus, wie Sophia in Tränen der Rührung ausbrechen würde, wenn ich ihr von dieser Geschichte erzählte – als ich einen Blick aufs Waschbecken warf. Und dann auf den Klodeckel von außen. Um schließlich zu bemerken, dass der komplette Boden im Dreck versank. Eine kurze Drehung, einmal scharf um die Ecke gen Garten geblickt und schon erkannte ich, was Sache war. Die Kinder spielten draußen voller Begeisterung im Schlamm. Und genau diesen hatten sie an ihren Händen und Schuhen ins Bad getragen. Doch da Timmy nach Charlies Satz zum Knutschen so überaus rücksichtsvoll Pipi gemacht hatte, wischte ich mit einem breiten Grinsen im Gesicht einmal vom Wohnzimmer Richtung Bad tüchtig durch. Sophia hat anschließend tatsächlich Tränen gelacht, als ich ihr von Charlies Satz – aber natürlich nichts von meiner Putzaktion – erzählte.
Anderer Ort, andere Kinder. Die ältere Tochter von Freunden von uns ist neulich am allerersten Schultag mit dem Kopf auf ihrer Bank liegend eingenickt. Angeblich aus Langeweile. Den Käse, den die Lehrerin heruntergeleiert habe, hätte ihre Mutter schon dreimal zu Hause erzählt, soll sie nach dem Nickerchen den anderen berichtet haben. Außerdem könne sie bereits Lesen und Schreiben und die Sache mit dem Rechnen wäre offensichtlich auch nicht so kompliziert, schließlich hätte das sogar ihr Cousin verstanden. Was für ein aufgewecktes Kind! Da verwundert es nicht, dass ihre kleinere Schwester diesem großen Vorbild in nichts nachstehen möchte. Als sie ihren ersten Tag in der KITA hinter sich gebracht hatte, verkündete sie beim Verlassen des Gebäudes gegenüber ihrer Kindergärtnerin mit einer beeindruckenden Selbstverständlichkeit, dass sie hierher auf gar keinen Fall mehr wiederkommen werde. Man muss dazu wissen: Erst Sekunden zuvor hatte sie freudestrahlend eingewilligt, dass sie ein Spielzeug mitnehmen könne, wenn sie dieses am nächsten Tag wiederbringen würde. Auf die Frage der KITA-Frau, wie sie denn dann gedenke, das Spielzeug zurückzugeben, sagte die Kleine ohne auch nur eine Sekunde nachgedacht zu haben: „Du, das ist kein Problem. Das schicke ich euch zu.“ Zack! Und schon hatte sie sich umgedreht und war ein paar Meter mit ihrer neuen Puppe vorgelaufen. Ihrer Mutter blieb nichts anderes übrig, als ihr schulterzuckend hinterherzurennen – und zu Hause erst einmal per WhatsApp die Geschichte mit ihren Freundinnen zu teilen.
Eine Antwort kam unter anderem von der Mutter eines vierzehnjährigen Mädchens. Sie schrieb, dass ihre Tochter heute ihren ersten Schultag nach den Ferien gehabt habe. Und jetzt gerade hätte ihr Klassenlehrer angerufen. Er wäre noch sehr aufgebracht gewesen und hätte unangenehm laut gesprochen. Ihre Tochter habe wohl eine alte Freundin von der Grundschule vor dem Klassenraum getroffen und sich mit ihr kurz unterhalten. Dabei müsse sie das Klingeln überhört haben. Jedenfalls sei der Klassenlehrer auf den Flur getreten, habe mit dem Kopf geschüttelt und hätte dann mit Karacho die Tür zugeknallt. Ihre Tochter meinte, sie hätte sich voll erschrocken. Als sie dann ihrem Lehrer unverzüglich in den Klassenraum gefolgt sei, habe sie zu ihm nur gemeint: „Chill mal, Alter!“ Die Mutter schrieb in die Gruppe abschließend: „Wie hätte ich dem Lehrer auf vernünftige Art und Weise vermitteln können, dass ich an manchen Tagen schon froh bin, wenn meine pubertierende Tochter überhaupt mal drei Worte mit mir spricht!“
Ben Redelings

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