Gesunde Kinderfüße – Trägt ihr Kind die richtigen Schuhe?
Mal zu groß, mal zu klein oder zu steif – hätten Sie gedacht, dass mindestens jedes fünfte Kind die falschen Schuhe trägt? Das zeigte der Deutsche Kinderfußreport 2020 und auch Studien aus den Vorjahren belegten, dass Kinderschuhe häufig zu eng sind. Dabei ist der falsch sitzende Schuh ein Problem, das neben kurzfristig schmerzenden Füßen schwerwiegende Folgen für die Entwicklung mit sich ziehen kann. Während des Wachstums sind die Knochen der Heranwachsenden noch leicht verformbar und passen sich daher exzellent dem Schuh an – leider auch, wenn dieser nicht passt. Um Fußfehlstellungen, Haltungsfehler oder Rückenschädigungen zu umgehen, ist es für Eltern wichtig, zu wissen, worauf sie beim Kinderschuhkauf achten müssen. REVIERkind hat sich angesehen, wieso Kinder überhaupt falsche Schuhe tragen und gibt Ihnen wichtige Tipps für den nächsten Schuhkauf mit an die Hand.
Deshalb müssen Schuhe passen
Der Deutsche Kinderfußreport zeigte, dass unter 4.000 vermessenen Kindern 16 Prozent zu kleine und 6 Prozent zu große Schuhe trugen. Damit hat sich das Ergebnis im Vergleich zu den Vorjahren zwar deutlich verbessert, doch zeigen die körperlichen Folgen, dass jeder falschsitzende Kinderschuh einer zu viel ist.
Tragen Kinder einen zu kleinen Schuh, haben ihre Füße nicht ausreichend Platz, um abzurollen und können sich nicht normal ausbilden. Neben Schwellungen, Entzündungen und Fehlstellungen können langfristig sogar Arthrosen in den Gelenken und Knochen Folgeerscheinungen sein. Fällt ein Schuh zu groß aus, ist das gesunde Gehen beeinträchtigt, mit dem Gelenkschädigungen einhergehen können.
Wieso tragen Kinder die falschen Schuhe?
Von Streitereien um die Form und Farbe abgesehen, sollte der Schuhkauf kinderleicht sein. Vor allem dann, wenn Eltern mit der Schuhgröße ihrer Kinder gewappnet ein Schuhfachhandel aufsuchen. Doch so einfach ist es leider nicht. Die Größenangaben an Schuhen dienen lediglich der Orientierung, entsprechen keiner EU-weiten Norm und werden demzufolge auch nicht kontrolliert. So kann es beispielsweise sein, dass durch schlechtes Handwerk eine Schuhgröße 34 nicht immer gleich ausfällt.
Hinzu kommt, dass Kinder selbst nicht spüren, ob der Schuh drückt. Das kindliche Nervensystem nimmt diesen Druck schlichtweg nicht wahr. Und auch der obligatorische Daumen-Test an der Schuhspitze bringt kein aussagekräftiges Ergebnis, da Kinder meist reflexartig den Fuß zurückziehen.
Darauf sollten Eltern beim Schuhkauf achten
Wie gelingt es Eltern nun aber, den perfekt sitzenden Kinderschuh zu kaufen? Dazu können Sie beim Einkauf die folgenden Tipps berücksichtigen:
• Kinderfüße fallen nie gleich aus. Lassen Sie Ihr Kind deshalb immer beide Schuhe anprobieren.
• Achten Sie auf eine ausreichende Flexibilität des Kinderschuhs, denn dieser sollte genauso weich sein, wie es die kleinen Füße sind.
• Der Schuh sollte innen mindestens zwölf und maximal 17 Millimeter länger sein. Um das zu überprüfen, bereiten Eltern bestenfalls zuhause bereits eine Schablone des Kinderfußes mit der entsprechenden Zugabe vor. Passt die Schablone in den Schuh flach hinein, ist er passend.
• Kinderfüße wachsen wahnsinnig schnell, deshalb sollten Sie mindestens viermal im Jahr die Schuhgröße kontrollieren (und die Schablone gegebenenfalls anpassen).
• Die Füße werden im Laufe des Tages länger, deshalb sollten Eltern den Schuhkauf auf den Nachmittag legen.
• Vor allem bei Babys: Schuhe, die sich schnüren lassen oder Klettverschlüsse besitzen, lassen sich ideal am Kinderfuß fixieren, wohingegen Schuhe zum Reinschlüpfen nicht für Laufanfänger geeignet sind
Gesunde Füße – gesunde Kindheit!
Wie sich Fehlstellungen auf den gesamten Kinderkörper auswirken können
Vom ersten Schritt an bilden unsere Füße das Fundament unseres Körpers. Gerät dort etwas ins Wanken, hat das Auswirkungen auf unseren gesamten Bewegungsapparat: Hüftprobleme, Schmerzen in den Knien oder dem Rücken sind nur wenige der Probleme, die unser Leben mit steigendem Alter immer stärker beeinträchtigen können. Umso wichtiger also, bereits im Kindesalter zu reagieren.
INTERVIEW
Im Interview mit REVIERkind gibt Alexander Steinicke, Orthopädieschuhmachermeister aus Dortmund, Antworten zu den großen Fragen rund um Fehlstellungen bei Kindern.
Herr Steinicke, worin unterscheiden sich Kinderfüße anatomisch von Erwachsenenfüßen?
Kinder sind keine kleinen Erwachsenen! Die Knochen sind nicht nur kleiner, auch die Proportionen sind anders. Zudem ist der Kinderfuß komplett untrainiert und muss erst einen Muskelstatus bekommen. Das „Längsgewölbe“ ist in der Regel bereits im zweiten Lebensjahr ausgebildet. Da die Füße aber noch sehr klein und fleischig sind, sieht man das leider nicht von außen. Die Knochen haben an verschiedenen Stellen Wachstumsfugen und das Körperwachstum folgt einem bestimmten biologischen „Rhythmus“.
Welchen Einfluss haben Füße auf den gesamten Kinderkörper?
Die Füße sind das Fundament der Bewegung, hier beginnt die Haltung. Wenn die Füße links und rechts unterschiedlich stehen, kann der Rest nicht mehr gerade sein und organisiert sich danach neu.
Was sind typische Fehlstellungen bei Kindern und welche Ursachen haben sie?
Es gibt unterschiedliche Studienlagen, aber ein Mittelwert ist, dass 98 Prozent aller Kinderfüße gesund auf die Welt kommen und 65-75 Prozent aller Jugendlichen bereits Fußfehlstellungen haben. Die typischen Fehlhaltungen sind dabei Knick-, Senkfüße, aber auch Fehlhaltungen in der Beinachse (innen-/außenrotierte Gangbilder bzw. ein nach innen/nach außen Laufen – das kann auch einseitig sein) in jungen Jahren (vor dem ersten Zahnwechsel) laufen Kinder auch gerne mal auf den Zehenspitzen. Was man pauschal sagen kann, ist: Schuhe sollten schützen vor Kälte, Hitze und Verletzungen. Die meisten Schuhe schützen aber vor Bewegung! Steife Schuhe und feste ebene Untergründe sind hier besonders zu erwähnen. Also hat der Kinderfuß fast keine Chance, sein Potential zu entfalten oder die Fußmuskulatur naturgemäß zu trainieren. Barfußlaufen ist super! Aber auf ebenen Böden trainiere ich den Fuß nicht. Es gibt natürlich auch noch angeborene oder verletzungsbedingte Fehlstellungen, diese sollten aber immer einem Facharzt für Kinderorthopädie vorgestellt werden und einem Techniker, der sich mit Kinderversorgungen auskennt. Leider gibt es hier keine Befähigungsnachweise, was die Übersicht für Eltern schwierig gestaltet.
Wie können sich diese Fehlstellungen später im Jugend- oder Erwachsenenalter auswirken?
Kurz gesagt: Schmerzen an Stellen, die mit der Ursache oft nicht in Verbindung gebracht werden. Darüber hinaus ist das so vielfältig, dass ich hier niemandem Angst machen möchte über „Was wäre, wenn…“
Mein Kind hat eine Fehlstellung entwickelt, was nun?
Barfußlaufen auf unebenen Böden und Fußgymnastik (Spiraldynamik). Bei Schmerzen aber bitte nicht selbst therapieren, sondern immer Fachleute und zweite Meinungen einholen. Dann können auch Physiotherapie, Ergotherapie und gezielte Dehn- und Kräftigungsübungen folgen. Aber auch hier bitte nicht durch Dr. Google, sondern fachkundige Personen konsultieren. Was in Foren usw. empfohlen wird, ist mittlerweile gruselig bis gefährlich. Zuguterletzt helfen auch Einlagen. Meiner Erfahrung aus 24 Jahren Berufserfahrung und persönlicher Meinung nach konnte ich die besten Ergebnisse mit sensomotorischen Einlagen machen.
Vanessa Wobb
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