Tollpatschiges Verhalten wie häufiges Stolpern, vermehrt auftretende Kopfschmerzen, Konzentrationsschwächen oder Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten – das sind nur ein paar Auffälligkeiten, hinter denen visuelle Defizite bei Kindern stecken können. Laut Schätzungen des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands (BVA) kann jedes zehnte Kind hierzulande nicht richtig sehen. 60 Prozent der Sehschwächen werden zu spät erkannt. Ein Kind, dessen Sehprobleme zu spät oder gar nicht entdeckt werden, kann jedoch in seiner gesamten Entwicklung eingeschränkt sein. Denn Fehlsichtigkeit wirkt sich auf das Leistungsvermögen, die Motivation, die Lebensqualität und auf das Selbstbewusstsein der Kids aus. Nicht rechtzeitig festgestellte Sehdefizite können zudem im späteren Leben bei der Wahl des Traumberufs maßgeblich im Wege stehen.
Eltern sollten also stets die Sehkraft ihres Kindes und die Anzeichen für Sehprobleme im Blick haben, denn Sehschwächen lassen sich mit Brille oder Kontaktlinsen problemlos korrigieren. Neben Schielen und Weitsichtigkeit ist die Kurzsichtigkeit ein häufiger Sehfehler bei Kindern. REVIERkind hat sich mit dieser Form der Sehschwäche näher beschäftigt. Wie Kurzsichtigkeit entsteht, wie Eltern vorbeugen können und welche Maßnahmen ergriffen werden können, lesen Sie auf den nächsten Seiten. Außerdem hat uns Friederike Avermann, Diplom-Ingenieurin für Augenoptik und Mitgründerin von Avermann Contactlinsen in Dortmund Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema „Kontaktlinsen für Kinder“ gegeben.
WAS IST MYOPIE UND WARUM WIRD MAN ÜBERHAUPT KURZSICHTIG?
Myopie ist die medizinische Bezeichnung für Kurzsichtigkeit. Wer kurzsichtig ist, kann in der Nähe – also auf kurze Distanz – einwandfrei sehen. Alles, was weiter entfernt liegt, ist hingegen nur verschwommen zu erkennen. Grund dafür ist ein zu lang gewachsener Augapfel. Dadurch wird das Bild nicht exakt auf der Netzhaut abgebildet, sondern davor, so dass die Sehschärfe in der Ferne abnimmt. Bei unter -6 Dioptrien spricht man von leichter Kurzsichtigkeit oder Schulmyopie, bei über -6 Dioptrien von einer starken Myopie.
Aber warum wird man überhaupt kurzsichtig? Myopie ist oft erblich. Eltern, die selbst kurzsichtig sind, sollten ihre Kinder daher möglichst früh vom Augenarzt untersuchen lassen. Eine weitere Ursache für steigende Zahlen der kurzsichtigen Kinder und Jugendliche ist die Naharbeit. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene schauen (zu) oft und stundenlang in die Nähe: sowohl in der Schule beim Lesen und Schreiben, beim Büffeln fürs Abi oder im Studium, als auch zuhause beim Schmökern im Lieblingsbuch. Zudem verbringen wir mittlerweile immer mehr Zeit vor Computern, Tablets und Smartphones. Doch dauerhaftes Nahsehen ist purer Stress für die Augen.
HINWEISE AUF KURZSICHTIGKEIT BEI (SCHUL-)KINDERN
Warnzeichen für eine beginnende Kurzsichtigkeit können sein, wenn ein Kind ungern in die Schule geht und dort schlecht mitkommt, weil es beispielsweise das Tafelbild nicht richtig erkennen kann, häufig über Kopfschmerzen klagt, oft die Augen zusammenkneift oder (Koordinations-)Probleme in Sport und Freizeit hat. Fehlende Freude am Lesen, Zeichnen, Rechnen, ein geringes Konzentrations- und Aufmerksamkeitslevel, eine Schiefhaltung des Kopfes, Rückenschmerzen, rasche Ermüdung, ein geringes Konzentrations- und Aufmerksamkeitslevel können ebenfalls auf eine Fehlsichtigkeit hinweisen. Natürlich liegt nicht allen oben genannten Defiziten eine Sehschwäche zugrunde, es lohnt sich jedoch, auch das Sehvermögen des betroffenen Kindes überprüfen zu lassen.
VORSORGE – BESUCH BEIM AUGENARZT
Je stärker die Kurzsichtigkeit ist, desto höher ist das gesundheitliche Risiko. Vor allem das starke Längenwachstum der Augen kann erheblichen Schaden an der Augennetzhaut anrichten. Das stärkste Längenwachstum findet im Alter von sechs bis zwölf Jahren statt. Bei 90 Prozent der kurzsichtigen Kinder tritt die Myopie nach dem Schulbeginn auf, meist zwischen dem 8. und 15. Lebensjahr. Deshalb spricht man bei leichter Myopie von Schulmyopie. Zwar ist in den regelmäßigen U-Untersuchungen beim Kinder- und Jugendarzt eine Kontrolle der Augen vorgesehen, dennoch ist eine Untersuchung vom Augenarzt ratsam. Die U-Untersuchungen sind gut. Problematisch ist jedoch die recht große zeitliche Lücke zwischen den verschiedenen Untersuchungen. Grundsätzlich gilt, dass Kinder von Eltern mit Sehfehlern deutlich früher einem Augenarzt vorgestellt werden sollten als Kinder ohne erbliche Vorbelastung. Auch wenn Geschwisterkinder unter einer Fehlsichtigkeit leiden, sollte der Besuch beim Augenarzt eingeplant werden. Viele Ärzte empfehlen heute die erste Kontrolluntersuchung beim Augenarzt unter einem Jahr. Hier können bereits frühzeitig seltene Augenerkrankungen ausgeschlossen werden. Gerade in den ersten Lebensjahren besteht die Möglichkeit, Sehfehlern wie der Kurzsichtigkeit mit der richtigen Sehhilfe entgegenzuwirken.
Der BVA empfiehlt eine Vorstellung beim Augenarzt mit sechs bis zwölf Monaten bei erhöhtem Risiko für Schielen, für Fehlsichtigkeit oder für erbliche Augenerkrankungen. Mit circa drei Jahren sollte dann auch eine Untersuchung bei unverdächtigen Kindern zur frühzeitigen Entdeckung eines kleinwinkligen Schielens oder von optischen Brechungsfehlern stattfinden.
VORBEUGUNG – RAUS AN DIE FRISCHE LUFT
Eltern können relativ einfach dazu beitragen, dass ihre Kinder den Durchblick behalten: Sorgen Sie für genug Abstand beim Lesen, Schreiben, Film-Schauen. Jedes Kind sollte mindestens (s)einen Unterarm Abstand von Buch, Handy oder PC haben. Das gilt auch für Kleinkinder ab zwei. Schon erste Bücher brauchen den gesunden Abstand vom Kindergesicht. Scheuchen Sie Ihr Kind täglich mindestens zwei Stunden raus an die frische Luft und ans Tageslicht. Handy, Tablet & Co haben dann Pause. Im Freien nehmen Kinder Vitamin D über Haut und Augen auf, zusammen mit einer wichtigen Dosis natürlicher Grüntöne. Am Arbeitsplatz und am Schreibtisch sollte gutes Licht herrschen. Tageslicht ist die beste Beleuchtung, aber bitte nicht blendend. Stellen Sie die Schrift auf Ihren elektronischen Medien komfortabel lesbar ein. Das erleichtert auch Kinderaugen das Lesen am Monitor und entlastet die Augen bei der Naharbeit.
KURZSICHTIGKEIT KORRIGIEREN – BRILLEN & KONTAKTLINSEN?
Eine Schulmyopie kann durch das Tragen von Hilfsmitteln wie einer Brille oder Kontaktlinsen sehr gut korrigiert werden. Brillengläser können heute dank neuer Materialien sehr leicht und dünn ausgeführt werden. Optiker passen Kurzsichtigen ein so genanntes Minusglas an. Die Gläser verändern die Brennweite so, dass auf der Netzhaut wieder ein scharfes Bild entsteht. Bei Kinderbrillen sollte die Fassung kindgerecht sein, also klein, nicht breiter als das Gesicht und vor allem stabil.
Wer kurzsichtig ist und keine Brille tragen möchte, kann alternativ auf Kontaktlinsen zurückgreifen. Anders als bei einer Brille sitzt eine Kontaktlinse direkt auf dem Auge auf. Sie sind „unsichtbar“, können nicht beschlagen und erlauben nahezu jede Sportart und Freizeitaktivität, ohne die Bewegungsfreiheit einzuschränken. Wie bei Brillen können bei Kontaktlinsen jederzeit die Korrektionswerte geändert und die Sehhilfe vom Auge entfernt werden.
Zudem gibt es noch spezielle Nachtlinsen, die den Vorteil haben, dass tagsüber keine Sehhilfe mehr getragen werden muss. Im Interview mit Friederike Avermann, Diplom-Ingenieurin für Augenoptik und Mitgründerin von Avermann Contactlinsen in Dortmund können Sie alle wichtigen Infos zu den Themen „Nachtlinsen“ sowie „Kinder und Kontaktlinsen“ nachlesen.
Weitere Infos: Bundesverband der Augenärzte Deutschland e.V., cms.augeninfo.de