Nahrungsmittelunterverträglichkeit bei Kindern – ein Thema, das viele Eltern beschäftigt, darunter Birgit S. Voller Sorge beobachtete sie ihre kleine Tochter. Lea hatte schon wieder Durchfall, diesmal besonders stark. Und wieder hatte Lea nicht über Bauchschmerzen geklagt. Birgit S. konnte sich nicht erinnern, dass die Zweijährige mit ihrem älteren Bruder oder ihren Freundinnen zu viel genascht hätte. Sie beschloss, ihren Kinderarzt aufzusuchen. Bei früheren Besuchen hatte er beruhigend angemerkt, das komme schon einmal vor, wenn Kinder das Falsche äßen. Doch diesmal reagierte der Arzt anders. „Aufgrund der Schwere des Durchfalls und weil er schon mehrfach aufgetreten war, vermutete unser Kinderarzt, eine Nahrungsmittelunverträglichkeit könne dahinterstecken. Eine Allergie hielt er für unwahrscheinlich. Er tippte auf eine Laktoseintoleranz“, erinnert sich Birgit S.
Eine Allergie ist eine Immunreaktion des Körpers und folgt meist direkt der Nahrungsaufnahme. Im Unterschied dazu treten Nahrungsmittelunverträglichkeiten verzögert auf und spielen sich im Darm ab. Bestimmte Enzyme, die für die Verdauung notwendig sind, sind inaktiv oder fehlen. Bei einer Milchzuckerunverträglichkeit (Laktoseintoleranz) etwa fehlt das Enzym Laktase, das den Milchzucker spaltet, der in Milch- und Milchprodukten vorhanden ist. Er kann im Dünndarm nicht verdaut werden und verursacht im Dickdarm Beschwerden, wie etwa Blähungen, Bauchschmerzen, Erbrechen, Übelkeit, kalten Schweiß oder wässrige Durchfälle.
Statt Intoleranz: Kind mit Zöliakie
„Wir sollten das testen, indem wir Lea ein paar Tage lang laktosefrei ernähren und schauen, was passiert.“ Das Resultat war allerdings anders als vermutet. Birgit S.: „Es hat fünf Tage gedauert, dann mussten wir Lea Hals über Kopf in die Bochumer Unikinderklinik fahren. Sie hatte starke Bauchschmerzen und konnte nicht mehr zur Toilette gehen.“ Denn Lea litt nicht unter einer Laktoseintoleranz. Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen zeigten eine stark reduzierte Darmtätigkeit. „Den Grund ahnte ich schon, als ich die kleine Patientin das erste Mal sah“, sagt PD. Dr. Anjona Schmidt-Choudhury, Leiterin der Abteilung Pädiatrische Gastroenterologie an der Bochumer Universitätskinderklinik. „Lea war klein, blass, hatte dünne Ärmchen und Beinchen und einen aufgeblähten Bauch – sie sah aus wie ein typisches Zöliakiekind.
Rund einer von 500 Deutschen leidet an Zöliakie, doch ist die Häufigkeit der Erkrankung wegen nicht erkannter Fälle wahrscheinlich höher. Nur ca. 10 bis 20 Prozent der Betroffenen weisen das Vollbild der Zöliakie auf. Die Erkrankung kann in jedem Lebensalter ausbrechen, und sicher ist, dass die Zahlen kontinuierlich steigen. Ein Grund sind verbesserte Diagnoseverfahren, aber davon unabhängig wächst auch die Zahl der Betroffenen. Die Gründe dafür liegen im Dunkeln. Experten untersuchen derzeit, inwieweit erbliche Faktoren, Schwächen des Immunsystems, Infektionen, Umweltfaktoren und falsche Ernährungsweisen eine Rolle spielen.
Das Klebereiweiß Gluten ist in Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Grünkern, Dinkel, Getreide- und Urkornarten wie Einkorn und den daraus hergestellten Produkten wie Mehl, Kleie, Stärke, Flocken, Teigwaren, Brot und Backwaren enthalten. Darüber hinaus ist es in einer Fülle von verarbeiteten Lebensmitteln und Fertigprodukten zu finden, wie z.B. Knödeln, Kroketten, Fruchtmus, Fleisch-, Fisch- und Wurstwaren, Frischkäse und Süßwaren.
Chronische Entzündung des Darms
Im Darm eines gesunden Menschen werden diese Nahrungsmittel in ihre Bestandteile zerlegt und über die Darmschleimhaut in den Körper transportiert. „Der Zöliakiekranke dagegen leidet an einer chronischen Entzündung der Darmschleimhaut, hervorgerufen durch Gluten. Dabei bilden sich die Darmfältelungen, die sog. Darmzotten, die die Darmoberfläche zur besseren Nahrungsaufnahme vergrößern, stark zurück. Das Resultat der dauerhaft gestörten Nahrungsaufnahme sind Nährstoffdefizite, die vielfältige gesundheitliche Folgen nach sich ziehen können“, erläutert Dr. Schmidt- Choudhury.
So sind bei Kindern Gedeihstörungen, ein vorgewölbter Bauch, Durchfälle, Verstopfung, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen, Blässe, Übellaunigkeit, Weinerlichkeit, Müdigkeit, Eisenmangel, Muskelschwäche, Zahnentwicklungsstörungen oder der Verlust von schon erlernten motorische Fähigkeiten zu beobachten. Unbehandelt, kann sich in späteren Jahren die Pubertät stark verzögern, können Depressionen oder Nachfolgedarmerkrankungen auftreten. Bei der kleinen Lea waren die Symptome für den Facharzt gut zu deuten. Aber die Schwierigkeiten des Kinderarztes bei der Diagnose und das oben aufgelistete „bunte“ Beschwerdebild zeigen schon, dass Zöliakie nicht immer leicht zu erkennen ist.
„Sicherheit in der Diagnose bietet in der Regel nur ein Antikörpertest in Kombination mit einer Dünndarmbiopsie“, so Dr. Schmidt-Choudhury. Sie warnt: „Auf keinen Fall sollten Eltern aufgrund eines vagen Verdachtes ihre Kinder über Monate einfach so glutenfrei ernähren. Dies erschwert die ärztliche Diagnostik!“ So schwierig die Diagnose ist, so einfach ist das Rezept zur Linderung der Beschwerden: Da Gluten lebenslang unverträglich bleibt, liegt die derzeit einzige Behandlungschance in einer lebenslangen glutenfreien Diät. „Noch in der Kinderklinik erhielten wir eine Ernährungsberatung“, so Leas Mutter Birgit. „Wir stellten einen Plan auf, was Lea gerne isst, und die Beraterin half uns, Alternativen zu finden.“
Weitere Hilfe erhielten sie von der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e.V. (DZG) und in Veranstaltungen des in Bochum ansässigen Familienforums Ruhrgebiet. Birgit S.: „Auch der Austausch mit anderen betroffenen Eltern half. Irgendwann wurde es Routine, beim Einkauf die geeigneten Nahrungsmittel zu finden. Das Beste war: Vom Tag der Ernährungsumstellung an ging es Lea besser!“ Schnell fielen Müdigkeit und Trägheit ab: Die Kleine blühte richtiggehend auf. Und da sie die Folgen der Erkrankung kennt, hält sie sich erfreulich diszipliniert an den Speiseplan.
Laktoseintoleranz – und Fruktoseunverträglichkeit
Viel weiter verbreitet, aber leichter zu diagnostizieren und zu behandeln als die Zöliakie sind zwei andere Arten der Nahrungsmittelunverträglichkeit: die schon erwähnte Milchzuckerintoleranz und die Fruktosemalabsorption. Die primäre Laktoseintoleranz ist genetisch bedingt und tritt häufig auf. Wie bei Säugetieren, verlieren auch Menschen im fortschreitenden Alter die Fähigkeit, Laktose zu verdauen: Rund 70 Prozent der Europäer im Alter von 60 Jahren weisen eine Laktoseunverträglichkeit auf. Hier helfen nur der Verzicht auf laktosehaltige Nahrungsmittel, den Konsum zu reduzieren oder ggf. eine Enzymsubstitution mit Laktase beim Genuss laktosehaltiger Nahrung. In ihrer sekundären bzw. temporären Form liegt eine Störung der Darmschleimhaut vor; etwa nach einer langfristigen Antibiotikagabe oder bei einem unbehandelten Morbus Crohn. Die Störung verschwindet, sobald die Ursache der Darmschädigung beseitigt wurde.
Die Fruktoseintoleranz tritt in der sehr seltenen, erblichen (hereditären) Form und in der erworbenen (intestinalen) Form, also der sog. Fruktosemalabsorption auf und beruht auf einer defekten und verminderten Fähigkeit des Dünndarms, Fruktose aufzunehmen. Weil der unverdaute Fruchtzucker in den Dickdarm gelangt, macht er dort Probleme: Blähungen, Durchfälle, Übelkeit oder Bauchkrämpfe. Rund 30 (!) Prozent der Europäer sollen an der intestinalen Form leiden. Für Linderung der Beschwerden sorgen eine fruktosereduzierte Diät oder eine jährlich durchzuführende zweiwöchige Fastenkur. Selbsttests können erste Diagnosehinweise liefern: Wenn Symptome nach einer mehrtägigen Laktose- bzw. Fruktose-Auslassdiät verschwinden, liegt der Verdacht einer Intoleranz nahe. „Sinnvoller ist es jedoch, den Arzt aufzusuchen und etwa durch einen H2-Atemtest eine zuverlässige Diagnose zu erhalten“, rät Dr. Schmidt-Choudhury. Der H2-Atemtest führt sowohl bei der Laktose- als auch der Fruktoseintoleranz auf die richtige Spur.
Dr.Nils Rimkus
Infoadressen:
www.nahrungsmittel-intoleranz.com
Zöliakie: Die offizielle Seite der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft e.V. mit vielen guten Tipps, Infos, Kontakten und Rezepten: www.dzg-online.de
Laktoseintoleranz: Infos und Tipps zu Laktoseintoleranz gibt es z.B. auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V.: www.dge.de oder bei der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Krankheiten von Magen, Darm und Leber sowie von Störungen des Stoffwechsels und der Ernährung (Gastro-Liga) e.V.: www.gastro-liga.de oder beim Deutschen Allergie- und Asthmabund e.V.: www.daab.de
Fructoseintoleranz: Infos und Tipps gibt es z.B. unter: www.fruktosecoach.de, unter www.nahrungsmittel-intoleranz.com oder auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V.: www.dge.de
Interview: Drei Fragen an Fritzi Bender
Wie sind Sie auf die Idee zu dem Buch „Prinzessin Blubberbauch“ gekommen, haben Sie auch eine Unverträglichkeit?
Mein Bauch war schon immer blubberig. Als Kind war mir aber der Zusammenhang zwischen Nahrung und blubbern natürlich nicht bewusst. Pupsen fand ich allerdings grundsätzlich sehr lustig – meine Familie übrigens auch, und so fiel mein vermehrtes Blubbern nicht besonders auf. Heute weiß ich: Oft liegt es bei mir an der Ernährung, aber genauso oft auch an zu viel Stress, zu hektischem Essen oder an „unverdauten“ Emotionen, wenn mein Bauch besonders stark blubbert. Ich habe keine isolierte Nahrungsmittelunverträglichkeit, empfindlich bin ich eben schon hinsichtlich der Verdauung. So lag ein Buch darüber irgendwie nahe. Im Vordergrund stand aber die Idee, Kinder auf humorvolle Art und Weise früh für ihren (Blubber)Bauch (und eventuelle Nahrungsmittelunverträglichkeiten) zu sensibilisieren.
Sie haben zwei Kinderbücher geschrieben. Wann kommt das dritte?
Das dritte kommt noch in diesem Jahr! Hurra! Wenn alles gut geht, dann Mitte/Ende November 2014. Es ist die Fortsetzung des Bilderbuches „Balduin bleibt grün“, nämlich: „Balduin sieht rot“. In diesem Abenteuer erlebt das Chamäleon Balduin, wie Wut entsteht und findet heraus, wie man mit der Wut umgehen kann. Das Cover ist fast weihnachtlich und passend zur Geschichte natürlich rot-grün. Das ideale Weihnachtsgeschenk also…
Was machen Sie sonst noch – außer Kinderbücher zu schreiben?
Mit großer Begeisterung mache ich zu meinen Büchern regelmäßig interaktive Lesungen für Kinder, mit Handpuppenspiel und Bilderbuchkino. Dann arbeite ich noch im Kabarettduo „Suse und Fritzi“, wo wir derzeitig mit unserem aktuellen Programm „Stutenbissig Richtung Wechseljahre“ (nur für die Eltern!) unterwegs sind, und mit der Kabarettkollegin (Suse Kirchhoff) bin ich zusätzlich auch regelmäßig als Klinikclown auf den Kinderstationen im evangelischen Krankenhaus Oberhausen und jetzt (ganz neu!) auch in einem Seniorenstift in Mülheim unterwegs.
Aktuelle Lesungstermine von Fritzi Bender findet man hier: www.fritzibender.de