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Pubertät: Keinen Kopf für die Schule

Bildnachweis: ©pathdoc - Fotolia.com

Die Pubertät – das Schreckgespenst aller Eltern! Es ist sicherlich keine einfache Zeit, aber es ist eine Zeit – und daran sollten Erwachsene sich immer wieder erinnern –, die alle von uns einmal durchgemacht haben. Eine Zeit voller Konflikte, Auseinandersetzungen, Unsicherheiten und Überraschungen. Und eine Zeit, in der den meisten Jugendlichen etliche Dinge wichtiger sind als die Schule und strebsames Lernen. Das Wichtigste für Eltern: keine Panik! Die Null-Bock-auf-Schule-Phase dauert in der Regel nicht ewig. Zudem können Erziehungsberechtigte ihren Kindern durchaus dabei helfen, diese Phase einigermaßen unbeschadet zu überstehen.

Großbaustelle Gehirn
Die Pubertät ist ein Vorgang, der dazu führt, dass wir eigenständig werden. Kinder lösen sich im Laufe der Zeit aus der Obhut der Eltern, um selbstständig werden zu können und eigene Identitäten aufzubauen. Sie sind auf dem Weg, erwachsen zu werden. Und auf diesem Weg verändern sich eben nicht nur Geschlechtsmerkmale und Körperproportionen, sondern es ändert sich gerade auch das Gehirn. Es wird effizienter, schneller und insgesamt leistungsfähiger. Jahrelange Forschungen haben ergeben, dass die Entwicklung des Gehirns während der Pubertät
einer Großbaustelle im absoluten Hochbetrieb gleicht. Milliarden Nervenzellen werden neu geschaltet, unnütze Verschaltungen verschwinden ganz und andere Hirnregionen werden „renoviert“. Leider ist es dabei aber wie mit jedem Umbau, der im laufenden Betrieb erfolgen muss: Es ist währenddessen mit Einschränkungen zu rechnen. Da nicht alle Bereiche des Gehirns gleichzeitig ausreifen (können), sind immer wieder einige Funktionen ausgesetzt. So fliegen beispielsweise in der Hirnregion, die für Planung, strategisches Denken und Organisation zuständig ist, während dieser Phase regelmäßig die Sicherungen raus. Das Gebiet des Gehirns, welches die Gefühle reguliert, ist hingegen schon sehr früh fertig ausgebildet. Die Folge: Jugendliche entscheiden weniger rational, sondern eher emotional.

Ebenfalls typische Verhaltensweisen, die sich während dieser Umbauarbeiten im Oberstübchen der Pubertierenden in den Vordergrund drängen, sind Vergesslichkeit und ein Zeitgefühl, das mit dem von Erwachsenen nicht zu vergleichen ist. Die Sporttasche wird schon zum dritten Mal in fünf Wochen zu Hause vergessen und der Termin beim Kieferorthopäden, über den gestern noch gesprochen wurde, ist wie weggeblasen. Auch das Wörtchen „gleich“, das für Erwachsene einen ziemlich konkreten Zeitrahmen in den nächsten 15 Minuten vorgibt, wird von Jugendlichen ganz anders interpretiert. Für sie kann „gleich“ auch noch in fünf Stunden sein.

All das kann Väter und Mütter zur Weißglut treiben, aber eben ganz nüchtern wissenschaftlich erklärt werden. Doch was heißt das? Lässt sich der Großbaustelle Gehirn und den Hormonen denn gar nichts entgegensetzen? Doch, sagen sowohl Neurobiologen, Psychologen und Erziehungswissenschaftler als auch Eltern, die diese Zeit schon „überstanden“ haben.

An einem Strang ziehen
Dass die Pubertät und der Schulabschluss zeitlich zusammenfallen, ist irgendwie fatal. Die Suche nach der eigenen Identität, das Abnabeln von den Eltern und der Erwachsenenwelt, körperliche Veränderungen, halbfertige Umbauten im Gehirn und brandneue Fähigkeiten treffen auf sehr geordnete und hohe Anforderungen der Schule. Klingt kompliziert? Ist es auch! Doch wenn Kinder und Eltern an einem Strang ziehen, ist diese schwierige Aufgabe durchaus zu meistern.

Vertrauen, Einfühlungsvermögen sowie die eine oder andere Regel und konsequentes Verhalten seitens der Eltern sind in dieser Zeit ebenso wichtig wie Verständnis, Offenheit und Interesse. Auch wenn Pubertierende sich ab und an ablehnend ihren Eltern gegenüber verhalten: Sie sollten dennoch dranbleiben, zuhören und ihren Kindern das Gefühl vermitteln, da zu sein – egal, unter welchen Umständen. Ganz gleich, wie witzig oder vermeintlich undurchdacht eine Frage des Kindes auch sein mag, Eltern sollten die Jugendlichen immer ernst nehmen, zuhören und einen ernstgemeinten Rat geben. Pubertierende verunsichert es nämlich ungemein, wenn man über eine Frage lacht oder diese als lächerlich abtut. Das Vertrauen geht dadurch schnell verloren.

In der Pubertät benötigen Jugendliche Stück für Stück mehr Freiraum, um sich abzunabeln. Natürlich sind sie aber noch nicht soweit, alleine über ihr Leben zu entscheiden. Gerade in dieser Zeit sind Orientierung und klare Grenzen absolut notwendig. Von permanenten Du-Vorwürfen sollte dabei Abstand genommen werden. Besser und erfolgsversprechender ist es, wenn Eltern mit ihren Kindern darüber sprechen, was ihnen wichtig ist und was sie fühlen, wenn Regeln nicht eingehalten werden oder ein gewisses Maß an Einsatzbereitschaft für die Schule nicht geleistet wird.

Auch ohne Großbaustelle im Gehirn ist es bei 30 oder mehr Unterrichtsstunden pro Woche, Hausaufgaben, Klausurvorbereitungen und  diversen Freizeitaktivitäten schwierig genug, alles im Griff zu haben. Dass neben Französischvokabeln auch mal ein paar Absprachen mit den Eltern durch das Raster fallen, ist völlig normal. Bevor die Vergesslichkeit der Sprösslinge jedoch zum Streitthema wird, sollten Eltern einen Blick auf die Verpflichtungen ihrer Kinder werfen. Es empfiehlt sich, den Terminkalender mal gemeinsam durchzugehen und für mehr Entlastung und Pausen zu sorgen, indem ein paar Termine herausgelöscht werden. So kann ein Teenagerkopf schon einmal etwas entwirrt werden.

Natürlich wird es weiterhin vorkommen, dass das Deutschbuch zu Hause liegen bleibt, den Kindern der anstehende Chemietest einen Abend vorher plötzlich einfällt oder die Sporttasche ohne Sportschuhe mit in die Schule genommen wird. Hierbei gilt es, nicht direkt Diskussionen
anzuzetteln, sondern eine Balance zwischen Unterstützung und Freiheit zu finden. Klar ist es auch für Eltern anstrengend, die Fäden im Hintergrund zu ziehen, aber die Teenager vor die Wand laufen zu lassen, ist doch auch keine Option. Eltern können ihre Kinder einfach unterstützen, indem sie beispielsweise heimlich die Sporttasche kontrollieren, das Schulbrot einpacken und sie frühzeitig an die nächsten Klausuren erinnern – ohne Vorwürfe und Druck. Natürlich darf man den Kindern nicht den ganzen Tag alles hinterhertragen oder ihnen ständig Erinnerungs-Nachrichten schreiben, sie sollten schon noch ihre eigenen Erfahrungen machen. Aber ein kleines Back-Up schadet den Jugendlichen keineswegs. Und keine Angst: Die Jugendlichen werden trotz Hilfe selbstständig.

Lernen lernen
Dass Teenagern alles lieber ist, als sich an die Hausaufgaben zu begeben oder für die nächste Klausur zu lernen, ist mittlerweile deutlich geworden. Doch wenn Eltern ein paar Dinge beachten, funktioniert das Lernen doch ganz gut. Hilfreich sind beispielsweise feste Rituale. Es sollten verlässliche Arbeitszeiten vereinbart werden. Ein Fußballspieler muss sich schließlich auch an feste Trainingszeiten halten – ob er gerade Lust hat oder nicht. Ebenso sollte ein Arbeitsplatz, der keine Ablenkung, aber trotzdem eine angenehme Atmosphäre bietet, eingerichtet werden.

Das Verinnerlichen des neuen Lernstoffes funktioniert während der Pubertät nicht mehr ausschließlich durch stures Auswendiglernen. Neue, effektive Lernmethoden müssen her. Wie diese aussehen, ist von Kind zu Kind unterschiedlich und muss ausgetestet werden. Möglicherweise helfen spielerische Ansätze. Die können so ausschauen, dass der Jugendliche beispielsweise ein Quiz aus den Unterrichtsmaterialen erstellt, das gemeinsam mit den Familienmitgliedern gelöst werden muss. Auch das Schreiben von Spickzetteln kann beim Einprägen des Stoffes helfen (Natürlich sollten die Spickzettel nicht mit in die Schule genommen werden).

Was bei schlechten Noten allerdings noch weniger fruchtet als zuvor, ist elterliche Nachhilfe. Besser funktioniert das gemeinsame Lernen mit Gleichaltrigen. Möglicherweise organisieren die Jugendlichen selbst Lernnachmittage oder nutzen gemeinsam entsprechende Nachhilfeangebote
in einem Institut oder mit einem Nachhilfelehrer, der zu ihnen nach Hause kommt. Eine Alternative zur klassischen Nachhilfe ist die Online-Nachhilfe, bei der Schüler und Lehrer zu zweit in einem virtuellen Klassenraum lernen. Kommuniziert wird per Headset und Webcam. Der Einsatz des modernen Mediums im Online-Unterricht kann die Lust am Lernen zurückbringen oder verstärken. Auch gibt es verschiedene Lern-Apps für das Tablet oder das Smartphone, die das Lernen für Jugendliche interessanter machen können.

Motivation statt Frustration
Das pubertierende Gehirn reagiert viel stärker auf Lob als auf Bestrafung. Eltern sollten in Gesprächen daher erst einmal erwähnen, was aus ihrer Sicht gut gelaufen ist – der Versuch, die Matheaufgabe zu lösen oder das Anwenden einer neuen Lerntechnik. Dann können Verbesserungsvorschläge gemacht werden. Hilfreich ist es ebenfalls, wenn Eltern optimistisch bleiben, ganz nach dem Motto: Du kannst das schaffen – wenn Du Dich bemühst. Die Teenager immer nur auf ihre Fehler hinzuweisen, ist nicht förderlich. Wenn sie für ihre Bemühungen gelobt werden, bewirkt das meistens einen enormen Motivationsschub.

Medienkonsum in Maßen
Fernseher, Handy, Konsole: Jugendliche verbringen Stunden vor diesen Geräten und tauchen in eine digitale Welt ab, die sie lähmt. Ein striktes Verbot ist keine Lösung. Eine zeitliche Begrenzung, in der die Jugendlichen ihre Geräte nutzen, ist dennoch ratsam und vonnöten. Vor allem abends sollte auf diverse Geräte verzichtet werden, damit für ausreichend Schlaf gesorgt wird. Denn übermüdete Teenager sind oft auch noch unmotivierter.

Ist das noch normal?
Lustlosigkeit und schulischer Leistungsabfall sind bei Pubertierenden eher die Regel als die Ausnahme und dauern nicht ewig an. Was, wenn doch? Wenn der Zustand ein besorgniserregendes Stadium erreicht, in dem ein Kind sich zurückzieht, unter Schlaflosigkeit leidet oder andere Symptome über einen längeren Zeitraum Sorgen bereiten, sollten Eltern mit den Lehrern, Schulpsychologen oder einem Arzt sprechen. Denn dann kann es sich auch um Depressionen handeln.

Am Ende bleibt zu sagen: Jede Pubertät ist anders, so wie jedes Kind anders ist. Und natürlich ist es auch nicht durchgehend schlimm, es gibt auch wunderbare Momente. Wenn alle an einem Strang ziehen, wird am Ende doch meistens alles gut. Und wenn ein Kind dann doch mal eine Ehrenrunde in der Schule drehen muss, ist das sicherlich kein Beinbruch!

Julia Schröder

 

 

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