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Auf der Suche nach dem Sinn

Das Leben ist eine ständige Suche! Genau wie jetzt in diesem Moment, in dem ich auf der Suche nach einem Thema für diese Kolumne bin und draußen auf der Gartenbank sitze und in die untergehende Sonne blinzle. Mir gegenüber steht unsere Nachbarin an der Altpapiertonne und flucht: „Ich kann das nicht haben, wenn ich etwas nicht finde.“ Sie hatte mir von einem Artikel erzählt, den sie in der Zeitung gelesen hatte. Thema: Wie Schriftsteller ihre Geschichten finden! Erst hatte sie gemeint, was solle sie Eulen nach Athen tragen, aber dann hatte sie doch angefangen, zu suchen. Könne ja nicht schaden, wenn ich mir den Artikel mal durchlesen würde, hatte sie beim Durchstöbern der Tonne vor sich hingebrummt. Das war vor ungefähr einer Viertelstunde. Mittlerweile brummt sie nicht mehr. Sie stöhnt – und flucht. Ziemlich laut. Immer wieder hält sie einen neuen Zeitungsschnipsel hoch, durchlöchert ihn mit ihren Augen und schmeißt ihn danach wütend wieder in die Tonne. Das Ganze ist so laut, dass ich gar nicht zum Nachdenken komme. In der Bibel heißt es ja bei Matthäus: „Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.“ Stoßgebete hatte meine Nachbarin nun einige gen Himmel geschickt, dabei aber immer noch nichts gefunden und nun klopfte sie nicht, sondern schellte, weil ihr die Tür zugefallen war und sie die Altpapiertonne mittlerweile bereits zweimal komplett auf den Kopf gestellt hatte. Sinnbildlich natürlich nur. Aber den Kopf hatte sie unterdessen bereits verloren. „Immer diese Scheiß-Sucherei!“, rief sie, als sie nach drinnen ging. Vielleicht läge der Zeitungsausschnitt ja noch auf dem Tisch, hatte sie gemeint und mit dem Fuß auf den Boden gestampft. Wie ein sehr, sehr wütendes kleines Mädchen.Ich habe derweil sanft vor mich hingelächelt. Erstens weil das Schauspiel vor meiner Nase durchaus Slapstick-Potential hatte und zweitens, weil ich endlich ein Thema für die Kolumne gefunden hatte. Dabei lag das schon das ganze Wochenende vor mir. Schließlich hatte mich meine Frau mit einer außergewöhnlichen Suchaktion an den Rand des Wahnsinns getrieben. Was war passiert? Charlie hatte am Freitag Geburtstag gefeiert. Kleiner Kreis, entspannte Rundeund das Thema der Feier war: Dinosaurier- Forscher. Höhepunkt des Nachmittags sollte ein Besuch eines nahegelegenen Parks sein, in dem normalerweise nur sehr wenige Menschen umherlaufen und der von Sophia deshalb für die Kinder in »Dino- Park« umgetauft worden war. Leider tummelten sich an diesem Tag aber sehr viele Menschen in diesem kleinen Einöd, so dass eines der Kinder schon nach ein paar Metern meinte, so könne das nichts werden: Da würden sich die Dinos doch verstecken und das wäre ja ziemlich langweilig. Das sind diese Momente, in denen man gerne richtig schlagfertig wäre. War aber leider keiner der erwachsenen Begleitpersonen und so hing bereits eine dicke dunkle Wolke über dem Ausflug in den »Dino-Park« an diesem eigentlich so strahlend schönen Sommertag, bevor es überhaupt richtig losgegangen war. Denn das absolute Highlight wartete auf die Kinder einige Minuten später auf einem Spielplatz. In einem 3×4 Meter großen Sandkasten hatten Jamie und ich heimlich 11 Dino-Eier versteckt. Jamie hatte gebuddelt und ich hatte mir Kreuze gemacht, damit wir hinterher auch genau wissen würden, wo denn die Eier versteckt waren. Dann waren wir hinter ein Gebüsch geflüchtet und hatten sehnsüchtig das Eintreffen der Dino-Forscher erwartet. Und als sie bereits fleißig am Buddeln waren, sind wir schließlich überraschenderweise dazu gekommen. Gerade noch rechtzeitig, wie wir schnell bemerkten, denn die ersten Kinder hatten sich nach erfolgloser Suche schon Richtung Schaukel und Rutsche verabschiedet. Genau 1 (!) Ei hatten sie gefunden. Offensichtlich waren unsere Verstecke etwas zu gut – und vor allem zu tief. Sophia fand das gar nicht lustig. Und das ließ sie Jamie und mich auch spüren.Den Rest des Nachmittags kann man schnell zusammenfassen. Während Sophia Jamie eine Standpauke hielt, wie man denn nur auf die Idee kommen könne, so tiefe Löcher zu buddeln, lag ich auf allen Vieren im Sand und durchforstete wie ein Irrer das Gelände. Und tatsächlich: Während die Kinder sich geschlossen außerhalb der Grube vergnügten, gelang es mir mit Unterstützung von Jamie und Sophia weitere 9 Eier nach und nach zu finden. Das hielt ich für eine Spitzenquote – schließlich hatten wir dafür nur rund eine Stunde gebraucht. Zufrieden und vollkommen erschöpft setzte ich mich deshalb auch an den Rand des Sandkastens und wollte gerade nach einer Flasche Wasser greifen, als Sophia mich anraunzte – um es äußerst nett zu formulieren: „Was machst du da? Wir haben immer noch nicht alle Eier gefunden. Ein Ei fehlt!“ Und wie sie das sagte, da schimmerte mir bereits, was nun folgen musste.Nach einer weiteren Stunde war unser Ehegelübde nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem es eigentlich für die Ewigkeit festgehalten worden war. Doch Sophia kannte einfach keine Gnade. Das letzte Ei musste gefunden werden – koste es, was es wolle. Erst nach weiteren dreißig Minuten in der Grube und mahnenden Worten einer der erwachsenen Begleitpersonen,dass die Kinder irgendwann einmal nach Hause müssten, verließ Sophia kopfschüttelnd und stinksauer den Spielplatz. Jamie und ich blieben noch eine Weile – doch es half alles nichts. Das Ei blieb verschwunden.Am nächsten Tag packte Sophia frühmorgens einen Picknickkorb, holte schweres Gerät aus dem Schuppen und rief die Kinder. Da ich arbeiten musste, wurde ich verschont. Als die drei am späten Nachmittag mit ihren Schippen und Harken nach Hause kamen, sah ich schon von Ferne in ihren Gesichtern, dass der Plan nicht aufgegangen war. Das Ei blieb wie vom Erdboden verschluckt. Bis jetzt haben Sophia und ich noch immer kein Wort miteinander gesprochen. Das bliebe auch so, sagte sie als letztes, bis ich das Ei gefunden hätte.Und so sitze ich nun noch immer hier draußen und schaue der Nachbarin dabei zu, wie sie die Altpapiertonne zum vierten Mal komplett auf den Garagenvorplatz ausgeleert hat. Mein Nachbar hat sich mittlerweile zu mir gesellt. Kopfschüttelnd hatte er sich neben mich gesetzt, in der Hand zwei Flaschen Bier: „Guck mal. Habe ich im Kühlschrank gefunden. War gar nicht schwer. Ich sage ja immer: Gewusst wo!“Ben Redelings

Bildanchweis: Jörn Stollmann

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