The Hämpels und der Aufstieg in die erste Liga
Ich hatte mich ja schon darauf eingerichtet, dass mich Jamie und Charlie beim nächsten Aufstieg in die erste Liga mit ihrem eigenen Auto zum Korso mitnehmen könnten. Nun ist es doch anders gekommen. Umso besser. „Sorry, hat länger gedauert“, hat der VfL Bochum seine Kampagne zum Aufstieg umschrieben. Jau, das stimmt.
Doch wie lange elf Jahre tatsächlich sein können, kann ich ziemlich genau sagen: 1,48 Meter (heute) weniger 74 Zentimeter (2010, ein Jahr nach der Geburt, beim Abstieg), macht präzise: 74 Zentimeter. Aber Länge ist auch nicht alles. Die Zeit hat vor allem schwer gewogen. Und zwar satte 28 Kilo. Oder bildlich gesprochen: Fast drei Kästen Fiege!
Damals bei Jamies Geburt war noch alles gut. Am Ende der Saison standen wir auf Platz 14. Knapp überm Strich, aber es reichte. Wie so häufig in all den Jahren zuvor. Doch ich hätte gewarnt sein müssen: Gleich nach seiner Niederkunft hatte es zwei Niederlagen in Folge gegeben. Der Trend war damals also schon nicht mehr unser Freund.
Doch dann kam das Willkommens-Päckchen der Stadt. Strampler, Lätzchen und Schnuller in den Vereinsfarben. Lobenswert, diese aktive Hilfe zur Selbsthilfe der Heimatgemeinde. Prävention, wie sie besser eigentlich nicht gelebt werden kann. Sowieso war unsere Welt auf einmal nur noch Blau und Weiß. Abends gab es liebliche VfL-Gesänge zum Einschlafen und auf dem Klo böse Schmähreime gegen die Nachbarschaft aus Herne-West und Lüdenscheid-Nord.
Zudem entwickelte sich ein natürlicher Abwehrschirm gegen jeden fremden Einfluss von außen, der die zart geknüpfte Bande zwischen Jamie und dem VfL hätte torpedieren können. Die blaue Ente von Schalke-Maskottchen Erwin, die plötzlich wie von Geisterhand gesteuert mitten auf dem Badewasser schwamm – hat nach einem spontanen Badewannen-Unfall niemand mehr gesehen. Oder das braune Lätzchen eines Piratenvereins aus Hamburg, das irgendwer dem unschuldigen Jamie um den Hals gebunden hatte, hat noch nicht einmal eine einzige Wäsche überlebt.
Und als die angeheiratete königsblaue Verwandtschaft durchsichtige Schwimmflügel unserem Kleinen im Pool um die speckigen Ärmchen spannte, da waren wir bereits Experten in der Gefahrenabwehr. Denn durchsichtig waren die Flügel nur auf den ersten Blick. Bei genauerem Hinsehen war ein kleines Schalke-Wappen zu erkennen, das sich bei genügend Sonne und unzureichendem Sonnenschutz auf die Haut des unschuldigen Wesens einbrannte.
Hört sich unglaublich und perfide an – und das ist es auch gewesen. Aber wir waren auf der Hut. Denn wir wussten: Es wird mit allen Tricks gearbeitet, um den Kleinen auf die falsche Fährte zu locken.
Das Leben hätte also richtig schön sein können, wäre da nicht dieser Betriebsunfall des VfL ein Jahr nach Jamies Geburt gewesen. Abstieg in die zweite Liga. Das hieß: Von nun an musste beim Anfixen noch eine Spur akribischer und leidenschaftlicher gearbeitet werden als ohnehin schon. Denn bei Sandhausen und Heidenheim spielten all die bekannten Stars von den bunten Sammelbildchen nun mal eher selten.
Mit viel Bedacht wurde auch der erste Stadionbesuch auf Papas Arm in der Ostkurve ausgesucht. Nach zweieinhalb Jahren war es schließlich soweit. Am 04. Dezember 2011 gegen Erzgebirge Aue. Da konnte doch eigentlich nichts schiefgehen. Und tat es auch nicht. Dennoch trug ich Jamie nach dem 1:0 von Magic Maltritz lieber wieder die Stufen hinunter raus zu Sophia. Sicher ist sicher. Was man hat, das hat man. Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach. Und für jeden Spruch drei Euro ins Phrasenschwein.
Das Spiel endete 6:0 für den VfL – und an diesem Tag beschloss ich, dass irgendwann alles wieder gut werden würde. Doch die Jahre zogen ins Land, Charlie wurde geboren und der VfL dümpelte sich langsam aber sicher im trüben Zweitliga-Gewässer fest.
Und dennoch: Mit viel Phantasie, einigen kleinen Notlügen („Boah, an die genaue Zahl unserer Titel kann ich mich im Augenblick gar nicht erinnern?!“) und einem starken Zusammenhalt der VfL-Gemeinde untereinander haben wir es tatsächlich geschafft, dass Manuel Neuer zwar ein super Keeper sein durfte, aber Manuel Riemann immer einen Tick geiler war. Genau das Prinzip galt auch bei jedem anderen Klub der Welt. Und so blieb der VfL Bochum unser Verein!
Aber ich will nicht verhehlen, dass mir an diesem Aufstiegs-Wochenende Ende Mai tatsächlich genau diese 28 Kilo Last von den Schultern fielen – und ziemlich ebenso viele Fläschchen Fiege durch den Kopf gingen. Das Pils zur deutschen Meisterschaft allerdings trinken wir dann gemeinsam: Jamie, Charlie, Sophia und ich. Glück auf!
Ben Redelings
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Author: Bettina Fischer
Ich bin Bettina, Jahrgang 1995 und seit 2015 beim REVIERkind. Alles hat mit einem Redaktionspraktikum angefangen. Und weil ich mich bei den Mädels so wohl gefühlt habe, bin ich nach dem Praktikum einfach geblieben. Ich unterstütze unsere liebe Julia bei der redaktionellen Arbeit für unsere Magazine und bei der Pflege unserer Homepage. Außerdem stapeln sich rund um meinen Schreibtisch jede Menge Kinderbücher, da ich unsere Medientipps betreue. Nebenbei bin ich noch Glücksfee und ziehe die Gewinner unserer Verlosungen.