Schiefe Zähne – kein Einzelfall
Marie hat schöne Zähne, gesund und ohne eine einzige Füllung, das hat ihr der Zahnarzt bestätigt. Nur leider stehen sie nicht alle in Reih und Glied, und auch das Zubeißen klappt nicht ganz so, wie es sollte. Marie benötigt eine Zahnspange. Der Arzt empfiehlt der Zehnjährigen deshalb eine kieferorthopädische Behandlung.
Marie befindet sich in guter Gesellschaft. Über 60 Prozent aller Kinder müssen eine Zahnklammer tragen. Völlig normal also, die meisten von uns werden sich selbst noch an ihre Spangenzeit erinnern können. Denn nicht jeder hat von Natur aus ein perfektes Gebiss, und selbst wenn, kann es sich durch äußere Einflüsse, wie Daumenlutschen, falsche Zungenmotorik oder Mundatmung verformen. Auch ein früher Milchzahnverlust, zum Beispiel durch Karies, kann den Kiefer negativ beeinflussen.
Häufige Zahnfehlstellungen
Dabei ist es meist nicht ein einzelner Zahn, der aus der Reihe tanzt, sondern es sind ganze Zahnreihen, die zu eng oder schief stehen. Sie stellen das häufigste kieferorthopädische Problem dar. Neben dem offensichtlichen Engstand im Mund ist es auch möglich, dass Ober- und Unterkiefer nicht richtig aufeinander passen. Wenn beispielsweise die Seitenzähne zusammenbeißen, die Schneidezähne jedoch nicht, so dass eine Lücke entsteht, nennt man das einen offenen Biss. Beim Überbiss dagegen ist der Oberkiefer größer als der Unterkiefer. Dabei sollten sich in einem gesunden Kiefer obere und untere Zahnreihe an exakten Punkten treffen. Tun sie das nicht, kommt es zu ständigen Fehlbelastungen, die wiederum Auslöser für Beschwerden, wie Kiefergelenksprobleme oder Konzentrationsschwäche sein können, aber auch zu einer Beeinträchtigung der Kaufunktion und der Aussprache führen.
Zum Glück muss heute niemand mehr mit schiefen Zähnen leben! Maries Eltern haben einen Termin bei einem Kieferorthopäden vereinbart, der zunächst einen Abdruck des Gebisses fertigt, ein Foto des Gesichts sowie Röntgenaufnahmen macht und Sprech-, Ess- und Schlafgewohnheiten erfragt. Anhand der daraus gewonnenen Erkenntnisse kann er eine exakte Diagnose stellen und entscheiden, ob eine Zahnspange sinnvoll bzw. nötig ist.
Die passende Zahnspange
Lautet die Antwort „ja“, dann stellt sich als nächstes die Frage: fest oder herausnehmbar? Letztere Spangen bestehen meist aus einem oder zwei Plastikteilen (für Kinder auch in der bunten Motiv- oder Glitzervariante), in die bogenförmige Drähte eingearbeitet sind. Diese sollen die Zähne in die gewünschte Richtung lenken. Als nachteilig erweist sich hierbei die Beeinträchtigung der Aussprache, da man diese Spangen meist auch mehrere Stunden tagsüber tragen sollte. Der große Vorteil liegt dennoch auf der Hand – man kann die lose Klammer bei Bedarf herausnehmen. Außerdem ist sie leichter zu reinigen und vergleichsweise günstig, wird jedoch eher bei kleineren Fehlstellungen empfohlen.
Wenn die Zähne dagegen mitsamt der Wurzel verschoben werden müssen, sollte es eine feste Zahnspange sein. Sie besteht aus kleinen Plättchen, die auf die Zähne geklebt werden. Durch diese sogenannten Brackets führt ein speziell geformter Draht, der die Zähne in die richtige Form bringt. Das permanente Tragen ermöglicht in der Regel eine kürzere Behandlungsdauer als bei einer losen Spange. Nichtsdestotrotz stellt eine feste Zahnspange für viele Patienten eine optische Beeinträchtigung dar. Kleinere Brackets aus Kunststoff oder Keramik sowie teflonbeschichtete Drähte sind eine Alternative.
Neu ist die Lingualtechnik, bei der Brackets auf der Zahninnenfläche befestigt werden. Nahezu unsichtbar sind Schienen aus transparentem, hauchdünnem Kunststoff ganz ohne Metall und Drähte bei der sogenannten Aligner-Therapie, bekannt unter dem Markennamen Invisalign. Der Name leitet sich aus den englischen Wörtern „invisible“ (unsichtbar) und „align“ (anpassen) ab. Diese „Kontaktlinsen für die Zähne“ sind herausnehmbar, sollten aber mindestens 22 Stunden täglich getragen werden. Im zweiwöchigen Intervall müssen jeweils neue Aligner-Schienen angefertigt werden, da das starre Plastik keine verstellbaren Elemente hat. Im Laufe einer Behandlung können so bis zu 60 Schienen verbraucht werden – ein großer Aufwand, der auch seinen Preis hat.
Kostenübernahme
Denn so schön und unauffällig diese Spangen auch sind, Eltern sollten vorab bedenken, dass die gesetzlichen Krankenkassen nichts bezahlen, was über die Notwendigkeit hinausgeht. Generell gilt: Die Kosten für eine Zahnspange werden, sofern medizinisch notwendig, zu 80 Prozent bei einem Kind und 90 Prozent bei zwei zu behandelnden Kindern übernommen. Bei erfolgreichem Abschluss der Behandlung vor dem 18. Lebensjahr kommen die Krankenkassen nachträglich auch für den Rest auf. Da ästhetische Extras nicht zu den Kassenleistungen gehören, lohnt eventuell der Abschluss einer Zusatzversicherung
Der richtige Zeitpunkt
Während Aligner-Schienen erst ab circa 14 Jahren geeignet sind – wenn Knochen- und Kieferwachstum abgeschlossen sind – raten Kieferorthopäden, schon früher mit einer Spangenbehandlung zu beginnen. Über den richtigen Zeitpunkt gehen die Meinungen jedoch auseinander; die einen empfehlen zu warten, bis alle bleibenden Zähne da sind. Die anderen befürworten, bereits vor oder während des Zahnwechsels zu starten. Im Zweifel lohnt sich die Einholung einer zweiten Meinung. Grundsätzlich hängt der Beginn einer Therapie von der Schwere und Art der Fehlstellung ab, die sich in einigen Fällen schon am Milchzahngebiss erkennen lässt. Im Durchschnitt beginnt eine kieferorthopädische Behandlung heute im Alter zwischen neun und elf Jahren, auf jeden Fall aber, bevor der Kiefer ausgewachsen ist.
Wer eine Zahnspange hat, trägt sie etwa ein bis drei Jahre plus Stabilisierungszeit. Wie lange es tatsächlich dauert, hängt stark von der Mitarbeit der kleinen Patienten ab. Regelmäßiges Tragen, Einhalten der Kontrolltermine sowie eine ausgeprägte Zahn- und Spangenhygiene erfordern viel Disziplin, bei der die Eltern ihre Kinder anspornen sollten. Die harte Arbeit zahlt sich aus. Ergebnis sind nicht nur gesunde, sondern zudem optisch schöne Zähne. Auch Marie wird bestimmt bald strahlend lächeln können – fast wie die Hollywoodstars – die, nebenbei bemerkt, auch immer häufiger eine Spange tragen.
Text: Katrin Hainke