Das Bild vom Fötus, der im Mutterleib am Daumen lutscht, finden fast alle werdenden Eltern niedlich. Doch spätestens wenn die Nabelschnur ab und der Säugling die ersten Tage auf der Welt ist, stellt sich für viele die Frage, ob es in Ordnung ist, seinem Kind einen Schnuller zu geben oder ob darauf besser verzichtet werden sollte. Denn die meisten Erwachsenen haben schon einmal gehört, dass Beruhigungssauger schädlich für Mund und Kiefer sind oder die Sprachentwicklung hemmen. Aber stimmt das eigentlich? Viele Neugeborene haben ein Saugbedürfnis, das über die Nahrungsaufnahme hinausgeht. Für sie kann das Saugen eine Hilfe beim Einschlafen bieten, sie beruhigen oder Trost spenden. Auch das Verdauungssystem kann durch das Saugen an einem Schnuller aktiviert werden. Zudem haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausgefunden, dass der Schnullergebrauchdas Risiko des plötzlichen Kindstods verringern kann.Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege hat kürzlich gemeinsam mit dem Deutschen Hebammenverband ein Projekt gestartet: Im Dezember vergangenen Jahres wurden 20 Zahnärztinnen, Gesundheitspädagoginnen und Prophylaxefachkräfte ausgebildet, um bundesweit an Hebammenschulen werdende Geburtshelferinnen in Fragen der Mundgesundheitzu schulen. Im Zentrum steht die Prävention der Frühkindlichen Karies, aber das Thema Schnuller wird ebenfalls von den Fachfrauen erläutert. „Oft stellt sich die Frage, ob direkt nach der Geburt ein Schnuller gegeben werden soll. Deshalb sind gerade in den ersten Lebenstagen und -wochen Hebammen mit dieser Frage konfrontiert“, erklärt Bettina Berg, Geschäftsführerinder Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege. Verlangt das Kind nicht nach einem Schnuller, sollte es auch keinen bekommen. Denn der Schnuller sollte bis zum zweiten Geburtstag wieder abgewöhnt werden, um Zahnund Kieferfehlstellungen vorzubeugen.Sehr positiv auch aus der Perspektive der Mundgesundheit sei dagegen das Stillen. „Die Kinder müssen sich beim Trinken anstrengen, was gut für die Kieferentwicklung ist. Daneben ist es auch einfach die beste Ernährungsmethode für Kinder“, erklärt Bettina Berg. Ob und inwieweit die Gabe von Schnullern Auswirkungen auf das Trinken an der Brust hat, darüber sind sich Hebammen und Stillberaterinnen uneinig. Ratsam ist, dass Neugeborene nicht ständig den Schnuller bekommen.
Sorgen bereitet der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege, dass immer noch rund 14 % der Kinder in Deutschland an Nuckelflaschenkaries leiden. Diese entsteht vor allem, wenn Trinkflaschen etwas älteren Babys zum Eigengebrauch im Bettchen oder Kinderwagenüberlassen werden – schlimmstenfalls gefüllt mit süßen Getränken. Aber auch nur mit Wasser ist das Dauernuckeln schädlich, denn die natürliche Reparaturfunktion des Speichels wird dadurch ausgeschaltet. Das Füttern mit Flaschennahrung durch die Eltern bei ungestillten Kindern sei allerdings kein Problem. „Wenn die Kinder dann Beikost bekommen, können sie, sobald sie selbstständig sitzen, auch schon aus einem offenen Becher trinken. Das fördert die Umstellung auf das erwachsene Schluckmuster, das das Baby nach der Säuglingsphase erlernen muss“, verdeutlicht Bettina Berg.Während der Schnuller in vielen Familien vermieden wird, wird der Daumen häufig als etwas Natürliches und damit Gutes angesehen. Dabei fördert gerade das Daumenlutschen Zahn- und Kieferfehlstellungen. „Hier werden die Vorderzähne auseinandergedrückt, damit der Daumen in den Mund passt. Häufig sieht man dann nach einiger Zeit, dass die Vorderzähne nicht zusammenschließen“, warnt Bettina Berg. Zudem sei es schwieriger, Kindern das Nuckeln am Daumen abzugewöhnen, denn dieser ist ja immer verfügbar. Viele Kinder, die zur Beruhigung am Daumen lutschen, tun dies bis ins Grundschulalter hinein. „Babys, die zur Beruhigung am Daumen saugen, sollte daher von Anfang an ein Schnuller angeboten werden.“ Wichtig ist aber, dass das Entdecken der eigenen Finger oder Umgebung mit dem Mund, was viele Babys im Laufe der ersten Lebensmonate machen, ganz natürlich ist und nicht unterbunden werden sollte. Nur beim Dauerlutschen am Daumen sollten Eltern überlegen, ob sie ihrem Nachwuchs nicht lieber einen Schnuller geben möchten.
Für Eltern, die sich dazu entscheiden, ihrem Kind einen Schnuller anzubieten, hat die Expertin ein paar Tipps. „Wichtig für die Kiefer- und Sprachentwicklung ist, dass der Schnuller nicht zu groß ist. Der Sauger sollte nicht zu viel Raum in der Mundumgebung einnehmen und das freie Spiel der Zunge möglich sein.“ Ist der Schnuller zu groß, ist er eher hinderlich für das Kind. Empfehlenswert ist es, den Schnuller nicht „mitwachsen“ zu lassen. Eltern könnten aber nach Möglichkeit einen kleinen Beruhigungssauger geben. Darüberhinaus empfiehlt es sich, auf die Form des Saugers zu achten. Der Saughals sollte möglichst dünn und flexibel sein oder eine sogenannte dentale Stufe haben, die verhindert, dass Zahnfehlstellungen im Bereich der Schneidezähne entstehen. Wichtig ist zudem, dass das Saugschild, an dem der Sauger befestigt ist, Löcher aufweist.
Selbst beim besten Sauger gilt: Nur nach Bedarf geben! Kinder sollten die Schnuller nicht aus Bequemlichkeit der Eltern bekommen, sondern dann, wenn sie ihn zur Beruhigung brauchen. Mit dem zweiten Lebensjahr ist es angebracht, dass Kleinkinder nach und nach ganz auf den Schnuller verzichten.
Lisa-Marie Davies
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